Energiegeladen und intensiv: American Idiot

Wie gut Punkrock und Musical zusammenpassen können, ist jetzt auch in Deutschland „angekommen“: Das junge Produktionsunternehmen Off-Musical Frankfurt brachte Green Day´s „American Idiot“ erfolgreich als deutsche Erstaufführung auf die Bühne. Premiere war im Januar, am 10. Mai wurde die letzte Aufführung des Rockmusicals in der Frankfurter Batschkapp vom Publikum begeistert gefeiert.

„American Idiot“ erzählt vom Erwachsenwerden. Von der Suche nach seiner Identität, nach einem Sinn im Leben. Und das in einer Zeit, in der vieles unsicher ist, und gerade junge Menschen verunsichert sind: Es ist eng in Spießerstadt. Die drei Freunde Johnny, Will und Tunny wollen nur noch weg. Raus aus der Perspektivlosigkeit, den Erwartungen entfliehen. Sie wollen mehr, als das Leben in dem langweiligen Kaff ihnen bieten kann. Was genau, wissen sie selbst nicht. Aber in der Großstadt wartet eine Welt voller Möglichkeiten.

Aktuell. Intensiv. Mitreißend.

Für Will kommt es aber erst gar nicht soweit. Seine Freundin Heather ist schwanger, er fährt nicht mit und bleibt zurück: gefangen in Erwartungen und Konventionen, denen er eigentlich entkommen wollte. Kaum in der Stadt, lässt Tunny sich verpflichten und zieht in den Krieg – postraumatische Belastungsstörungen inklusive. Zurück bleibt Johnny. Getrieben von seinem Alter Ego St. Jimmy, der all das verkörpert, was er immer sein wollte, landet er im Drogensumpf, aus dem auch seine große Liebe Whatsername ihn nicht befreien kann…

„American Idiot“ basiert auf dem 2004 erschienenen Konzeptalbum der Punkrock-Band Green Day. In Zeiten der Bush-Regierung und drei Jahre nach den Anschlägen vom 11. September veröffentlicht, traf es das Lebensgefühl einer ganzen Generation und wurde mit direkten,  unangepassten und auch politischen Songs zu ihrem Sprachrohr. Fast 15 Jahre später, in Zeiten von Trump, Fake News und vielen Umbrüchen und Bedrohungen in der Welt, haben die Songs nichts an ihrer Aktualität verloren, was der Show zusätzliche Intensität verleiht.

Bruch mit Konventionen

Das Spiel der Darsteller beginnt mitten im Publikum. Auf Stühlen direkt neben Zuschauern. Und an diese Plätze kehren sie auch wieder zurück – so wie die drei jungen Freunde nach ihren prägenden Erfahrungen nach Hause kommen. Dazwischen liegt eine rund 90-minütige, von Regisseur Thomas Helmut Heep wirkungsvoll in Szene gesetzte Show, die mit (Musical-)Konventionen bricht und eindrucksvoll zeigt, wie Musical auch sein kann und auch mal sein sollte.

Bereits in den ersten Minuten von „American Idiot“ wird klar, was einen erwartet: Ein Abend, der „reinhaut“. Voller Power und Energie. Mitreißend, laut und intensiv. Die sechsköpfige Band (Musikalische Leitung: Dean Wilmington) spielt echt und druckvoll, in bester Punkrock-Manier. Die Darsteller stürmen mit ihren Stühlen die Bühne, die zu den wenigen Requisiten gehören, mit denen „American Idiot“ auskommt. Sie werden immer wieder ins Spiel integriert, mal zum Bus, mal zum Zimmer umfunktioniert. Ansonsten dominiert ein schräg gekippter Spiegel die Kulisse. Er ermöglicht eindrucksvolle Perspektivwechsel und ausgefallene Blickwinkel, spiegelt die Gefühlswelten der Protagonisten und insbesondere das Verhältnis von Johnny und St. Jimmy wirkungsvoll wider.

Dialoge gibt es in American Idiot so gut wie gar nicht. Die Punkrock Opera ist nahezu durchkomponiert, es sind die in deutscher Sprache (Übersetzung Titus Hoffmann) gesungenen Songs, die die Geschichte transportieren und von den kraftvollen, energiegeladenen Choreographien (Ludwig Mond) aufgegriffen und unterstrichen werden.

Großartiges Ensemble

Das Ensemble leistet Großartiges. Voller Energie und mit unglaublicher Präsenz und Ausdrucksstärke nimmt jeder und jede Einzelne den Zuschauer mit auf die emotionale Achterbahnfahrt der Protagonisten. Philipp Büttner macht die innere Zerissenheit und Einsamkeit Johnnys spürbar und versteht es, den rotzig-punkigen Songs immer wieder auch eine gewisse Wärme zu geben. Sebastian Smulders beeindruckt als Tunny, dessen Traum vom Heldentum zum Alptraum wird, an dem er nahezu zerbricht. Wills Frust darüber, seinen Weg nicht mehr frei und unbeeinträchtigt von anderen wählen zu können, macht Dennis Hupka darstellerisch und gesanglich eindrucksvoll deutlich. Lisa Antoni ist eine selbstbewusste, sexy Whatsername mit genau der richtigen Power in Stimme und Spiel. Robert Lankaster gibt St. Jimmy verführerisch und schrill, Laura Friedrich Tejero zeigt Wills Freundin Heather sanft und stark zugleich. Als Abgefahr´ne Frau ist Lena Weiss, als Lieblingssohn Claudio Gottschalk-Schmitt zu sehen.

American Idiot auf Tour

Zum Ende wird es noch einmal ruhig und nachdenklich, wenn die Darsteller zu dem Song „Whatsername“ von der Bühne zurück ins Publikum kehren und das Stück sowie die Inszenierung in der Batschkapp  einen stimmigen und umjubelten Abschluss findet. Doch „American Idiot“ in Deutschland ist damit nicht zu Ende: Auf Tour wird die Geschichte ab August 2018 weiter erzählt. Und das hat diese Inszenierung auch mehr als verdient.

Einen Trailer zu American Idiot gibt es hier.