Ein Fall für die Bühne: Sherlock Holmes.Next Generation

Mehr als sieben Jahre Arbeit. Einige Try Outs, Musical-Workshops und konzertante Lesungen. Mehrere überarbeitete Fassungen, manche Rückschläge und eine neu gegründete Produktionsfirma: Die Entstehung des Musicals „Sherlock Holmes. Next Generation“ war selbst ein komplexer Fall. Dieser wurde jetzt gelöst. Im First Stage Theater Hamburg feierte das von Rudi Reschke konzeptionierte und mit einem engagierten Kreativteam entwickelte Werk über den genialen Meisterdetektiv am Montag seine umjubelte Uraufführung.

Ausnahmeermittler trifft auf Nachwuchsdetektiv

Bühnenstücke, Filme, Comics, Fernsehserien. Die Geschichten und Geniestreiche des beliebten Detektivs und seines Assistenten Dr. Watson werden immer wieder erzählt. Ein Musical fehlte da bislang. Zumindest eines, das dem  Detektiv einen jungen Nachfolger an die Seite und das Aufeinandertreffen der Generationen in den Mittelpunkt stellt. Denn in dem neuen Musical (Buch Rudi Reschke, Christian Heckelsmüller, JO Quirin) bekommt der Ausnahmeermittler – ungewollt – Unterstützung. Gleichzeitig sind die üblichen Verdächtigen geblieben. Dr. Watson steht Sherlock Holmes zur Seite, Miss Hudson verteilt Kekse, Tee und gute Ratschläge und Erzfeind Moriarty bereitet Holmes auch in dem neuen Fall Kopfzerbrechen.

Der Lack ist ab. Sherlock Holmes lässt nach. Das munkeln zumindest einige Stimmen rund um die Baker Street 221b im London des Jahres 1910. Frische Energie, ein junger Assistent sollte her. Davon will der erfahrene und erfolgsverwöhnte Holmes allerdings nichts wissen. Den Mord am ägyptischen Premierminister und den Diebstahl des kostbaren Diamanten „Auge des Horus“ im Britischen Museum will er in alter Manier lösen – mit genialen Schlussfolgerungen, Pfeife im Mundwinkel und Watson an seiner Seite. Doch dann kreuzen der junge, unbedarfte John aus dem Waisenhaus und die selbstbewusste Sufragette Catherine seinen Weg und durchkreuzen die Ermittlungen. Junger (Über)Mut trifft auf jahrelange Erfahrung, traditionelle Denkweisen auf moderne Ansichten und ein beliebter Held auf einen ehrgeizigen Jung-Detektiv.

Gelungene Dynamik

Es ist dieses Spiel der Generationen, das der Geschichte um den Meisterdetektiv eine gelungene Dynamik verleiht und den „alten“ Helden von einer neuen Seite zeigt. Durch die Begegnung mit John wird Sherlock Holmes (authentisch und herrlich trocken: Ethan Freeman) mit Fragen nach seiner Zukunft konfrontiert und kann zudem eine seltene, emotionale Seite zeigen. Merlin Fargel bringt als John frischen Wind in die Ermittlungen, die das Team wider Willen von der Baker Street ins Britische Museum, einen Ballsaal, die Leichenhalle oder auch mal eine Opiumhöhle führen (Fotos: Stefan Wagner).

Diese schnellen und zahlreichen Ortswechsel werden mit einem einfachen, aber wirkungsvollen Bühnenbild (Dietmar Wolf) geschickt gelöst. Ein mit Vorhängen versehenes Gerüst ermöglicht das Spiel auf zwei Ebenen und dient als Projektionsfläche. Gleichzeitig verbirgt es die begeisternd aufspielende Band (Musikalische Leitung: Philipp Polzin), die mitten auf der Bühne ihren Platz hat und auch ins Spiel miteinbezogen wird – dann zum Beispiel, wenn sie beim Diplomatenball zum Walzer aufspielt.

Vom Walzer zum HipHop

Auch in der Musik treffen Tradition und Moderne aufeinander. Da geht es vom Dreivierteltakt mal zum HipHop-Sound, vom Menuett zum Rocksong. Die Kompositionen von Christian Heckelsmüller sind vielseitig, die Melodien gehen ins Ohr – und bleiben da auch, wie zum Beispiel „Ein Fall für Sherlock Holmes“. Dabei verstehen es die Songs, nahezu jeder Rolle Raum und nahezu jedem Darsteller die Möglichkeit zu geben, zu glänzen.

Besonders eindringlich gelingt das Frank Logemann als Dr. Watson, als dieser von seinem Kriegstrauma eingeholt wird. Besonders emotional, wenn Iris Schumacher als Miss Hudson einen Brief von Johns verstorbener Mutter vorliest. Und besonders stimmstark, wenn Alice Wittmer sich als Catherine ihre Gefühle für John eingesteht. Eindrucksvoll inszeniert ist auch die Szene (Regie: Rudi Reschke) in der Nachwuchsdetektiv John – ganz Sherlock Holmes – im Gedankenraum nach dem ausschlaggebenden Hinweis sucht, die Zuschauer auf seine Gedankensprünge und Folgerungen „mitnimmt“ – und dann kurz vor der Lösung des Falls steht.

Gefeierte Premiere

Mitgenommen und mitgerissen hat das neue Musical das Premierenpublikum allemal. Die Zuschauer im ausverkauften First Stage Theater feierten die Inszenierung und den Cast mit langanhaltendem Applaus und Standing Ovations. Ein verdienter Auftakt für ein Musical, das nach sieben Jahren endlich zeigen konnte, dass es ein Fall für die Bühne ist.

Sherlock Holmes.Next Generation ist noch bis zum 5. April im First Stage Theater zu sehen. Weitere Informationen gibt es unter www.sherlockholmes-musical.de