Abseits vom Klischee: „Elisabeth“ in Oberhausen

Zwölf Millionen Zuschauer in 14 Ländern: Seit mehr als 30 Jahren schreibt das Musical „Elisabeth“ von Michael Kunze (Buch, Liedtexte) und Sylvester Levay (Musik, Orchestrierung) seine Erfolgsgeschichte. Nach zehn Jahren ist nun wieder eine Tourneeproduktion des 1992 in Wien uraufgeführten Werks in Deutschland zu sehen: In der sogenannten Schönbrunn-Version,  feierte die Theater-Fassung der Wiener Open-Air-Inszenierung im Oberhausener Metronom Theater Premiere. Und auch ohne historische Schlosskulisse im Hintergrund ist die von Regisseur Gil Mehmert in Szene gesetzte Version vor allem eines: wirklich sehens- und hörenswert.

Das Bühnenbild ist bei dieser halbszenischen Aufführung wie zu erwarten sehr reduziert: Ein Podest mit Treppen hat in der Mitte seinen Platz, ein illuminierter Rahmen ist der zentrale Blickfang. Das schmale Gerüst fungiert mal als Galgen, mal als Bilderrahmen, mal als Schaukel. Über die große Videoleinwand im Hintergrund laufen Bilder, die das Geschehen örtlich einordnen oder – unterstützt vom wirkungsvollen Lichtdesign – unterstreichen. Die Musiker des 19-köpfigen Orchesters (Musikalische Leitung: Bernd Steixner) haben auf der Bühne ihren Platz, umrahmen das Geschehen.

Dass es kein prunk- und prachtvolles Bühnenbild und keine großen Effekte braucht, um vom Leben, Wirken und auch Leiden der österreichischen Kaiserin Elisabeth abseits von etablierten Sissi-Klischees zu erzählen, zeigt diese Produktion auch am Oberhausener Tourstandort eindrucksvoll. Das liegt zum einen an der auch nach all der Zeit noch starken, bewegenden Musik. Sie kombiniert klassische Klänge, rockigen Sound und mystische Töne. Es liegt auch an den aufgrund der begrenzten Bühnenverhältnisse reduzierten, aber nicht minder wirkungsvollen Choreographien von Simon Eichenberger sowie den in der damaligen Zeit verhafteten, teils opulenten, aber immer detailreichen Kostümen von Yan Tax.

Vor allem aber liegt es an der starken Cast, die es versteht, das Leben der sagenumwobenen Kaiserin vor dem Hintergrund der Zeitenwende, dem Ende des Habsburgischen Reichs, eindringlich auf die Bühne zu bringen. Bettina Mönch vermag es als Elisabeth, die vielen Facetten der vom Hofleben erdrückten und nach Freiheit drängenden Frau nachzuzeichnen. Sie besticht als junge, lebensfrohe und freiheitsliebende Elisabeth ebenso wie als vor dem (Hof-)Leben fliehende, von Todessehnsucht begleitete und letztendlich verbitterte Frau. Ihr Interpretation von  „Nichts, nichts, gar nichts“ ist besonders eindringlich.

Lukas Mayer ist als Tod ein sanfter und doch gnadenloser Verführer, ein Todesengel. Er flüstert und haucht und lässt gleichzeitig die Bedrohung, die von seiner Figur ausgeht, immer durchscheinen. Eindrucksvoll die Szene, in der Lukas Mayer, der mit sicher geführter Stimme und einnehmender Präsenz zu überzeugen weiß, einem Marionettenspieler gleich die Lebensfäden der Protagonisten führt – auch und gerade die der Kaiserin. Der Tod begleitet Elisabeth, er lauert, wartet – voller Gewissheit, dass sie ihrer Sehnsucht nachgeben wird.

Neu im Ensemble ist Robin Reitsma als Kaiserinnen-Mörder Luigi Lucheni. Zum 1. Februar hat der gebürtige Niederländer die Rolle übernommen – und sie sich direkt zu eigen gemacht. Als Erzähler des Geschehens ist Lucheni Kommentator, Strippenzieher und Beobachter gleichermaßen und Robin Reitsma bestimmt bei jedem seiner Auftritte die Bühne: mit rockig-rauher Stimme, nuancierter Mimik und Gestik und spürbarer Spielfreude.

Als Erzherzogin Sophie, strenge Schwiegermutter und bei Hofe Gegenspielerin Elisabeths, gewährt Masha Karell im zweiten Akt bewegende Einblicke hinter die harte, vom höfischen Protokoll geprägte Fassade der gealterten Kaiser-Mutter. Lander Van Nuffelen gibt Kaiser Franz-Josef mit warmer, ausdrucksstarker Stimme. Sein Duett „Boote in der Nacht“ mit Bettina Mönch bleibt im Gedächtnis. Dennis Hupka überzeugt als sensibler, mit hartem Drill auf den Thron vorbereiteten Sohn Elisabeths, als sein junges Alter Ego rührt Kinderdarstellerin Isabella. Die Solistinnen und Solisten werden von einem spielfreudigen Ensemble ergänzt, das es versteht, das Geschehen wirkungsvoll zu umrahmen und mit Nummern wie „Milch“ oder „Alle tanzten mit dem Tod“ Akzente zu setzen.

Das Premierenpublikum zeigte sich begeistert von der neuen Umsetzung des Stücks und feierte das Wiedersehen mit dem Erfolgsmusical mit langanhaltendem Applaus und Standing Ovations. Bis zum 2. März ist „Elisabeth“ noch in Oberhausen zu sehen, dann geht es weiter. Doch nur für kurze Zeit. Denn die Inszenierung kommt noch einmal zurück ins Ruhrgebiet: Auch in der Zeit vom 15. April bis 11. Mai wird im Metronomtheater die Geschichte der Kaiserin Elisabeth wieder lebendig – in einer Umsetzung, die es den Zuschauer möglich macht, das Erfolgsmusical noch einmal auf ganz andere Art und Weise zu erleben.