„Es gab diese Sehnsucht nach einer gewissen Sicherheit.“

Im Gespräch Sebastian Krolik: Vom Leben als Hotelier und den eigenen Freilichtspielen

Jahrelang waren die Theater in Deutschland sein Zuhause: Musicaldarsteller Sebastian Krolik hat an der Oper Kiel gespielt, stand als Angel in Rent in Hamburg und Berlin auf der Bühne, war Riff in der West Side Story und gehörte zur Cast von Produktionen wie Tanz der Vampire oder Kinky Boots. Dann führte ihn sein Weg zurück in die Heimat. Seit zwei Jahren spielt nun ein Hotel eine Hauptrolle in seinem Leben: Der gebürtige Dauner hat gemeinsam mit seinem Mann das Landhotel Müller in der Eifel übernommen. Ganz ohne Theater geht es für den 35-Jährigen dennoch nicht. Sebastian Krolik hat die Freilichtspiele Gemünden gegründet, die diesen Spätsommer zum ersten Mal stattfinden werden – mit der Operette „Im weißen Rössl“ und dem eigenen Hotel als Kulisse.

Seit 2019 warst du nicht mehr auf Bühnen zu sehen. Du bist in die Eifel zurückgekehrt und hast einen Neuanfang gewagt. Was hat den Ausschlag dazu gegeben?

Dafür gab es nicht den einen Grund. Ich glaube, es waren viele kleine Gründe, die sich summiert und mich dazu bewegt haben.

Welche Gründe waren das zum Beispiel?

Ich bin jemand, der seine Heimat sehr liebt und immer auch ein bisschen Heimweh hatte. Jetzt wieder meine Familie um mich zu haben, ist sehr schön. Das war all die letzten Jahre nie möglich. Dann gab es auch diese Sehnsucht nach einer gewissen Sicherheit. Ich wollte mich nicht mehr von Jahresvertrag zu Jahresvertrag hangeln. Plus: Mein Mann ist Hotelier und kommt aus dem Gewerbe.

Wie ist es dann zu der Entscheidung gekommen?

Die Situation hat sich einfach so ergeben: Dieses Haus, das ich schon aus meiner Kindheit kannte, konnte übernommen werden. An einem Tag in Berlin – da habe ich gerade meine letzte Produktion „Tanz der Vampire“ gespielt – haben wir am Tisch gesessen und gesagt: Wir müssen uns entscheiden. Und wir haben es gewagt. Allerdings mit dem Hintergedanken: Wenn es schiefgeht, machen wir eben etwas anderes. Ich finde es nicht schlimm, wenn mal etwas nicht funktioniert. Aber es funktioniert ja.

Von der Bühne ins eigene Hotel: Vor seinem Leben als Hotelier zählte Sebastian Krolik (hier mit Gino Emnes) auch zur Cast von Kinky Boots. Foto: privat

Dennoch habt ihr durch die Corona-Pandemie  keine leichten Rahmenbedingungen für diesen Neustart gehabt…

Also…jein. Wenn ich noch in meinem alten Beruf wäre, wäre es deutlich schlimmer. Die Gastronomie ist ja ein Gewerbe, das ganz gut aufgefangen wurde. Es gab sehr schnell, sehr unbürokratisch gute Hilfen. Das war bei meinen Darstellerkolleginnen und -kollegen, mit denen ich ja weiterhin in Kontakt bin, nicht so. Die hatten und haben wahnsinnige Probleme und sind wirklich in eine Misere geraten.

Was war für dich bei diesem Wechsel von dem Bühnen- in den Hotelalltag besonders herausfordernd?

Die erste Zeit war schon strange. Ich kam von der Großstadt Berlin wieder aufs Land. Das Leben hier ist einfach völlig anders. Dann hatten wir von heute auf morgen so ein Riesenhaus. Man ist verantwortlich für Mitarbeiter:innen und muss Entscheidungen treffen. Die ersten Wochen waren schon sehr turbulent und auch sehr, sehr anstrengend, bis man nach und nach angekommen war. Nicht zu vergessen die technischen Abläufe: Ich musste mich in die Buchungssoftware reinfuchsen. Ich, glaube, ich habe 5.000 falsche Reservierungen angelegt, bevor ich es raushatte (lacht).

Vermisst du das Theaterleben?

Auf jeden Fall. Ich vermisse die Bühne und auch meine Kolleginnen und Kollegen manchmal doch sehr. Letztens habe ich einen alten Umzugskarton gefunden, der tatsächlich seit zwei Jahren in der Garage stand – und da waren meine Vampirzähne drin, die ich als Andenken behalten habe. Das war schon eine coole Zeit, die mir viel Spaß gemacht hat. Ich hatte damals mein Hobby zum Beruf gemacht, um auf der Bühne zu stehen. Das ist ein Teil von mir. Und der bleibt ja.

„Tanz der Vampire“ in Berlin war die letzte Produktion, in der Sebastian Krolik vor dem Wechsel ins Hotelgewerbe auf der Bühne stand. Foto: privat

In diesem Jahr wirst du ja auch wieder auf der Bühne stehen. Du hast die Freilichtspiele Gemünden ins Leben gerufen….

Also das war schon immer ein Wunsch von mir. Einmal ein kleines eigenes Theater zu haben und etwas Eigenes zu machen. Und durch Corona ist das irgendwie wieder hochgekommen. Ich habe mir gedacht, vielleicht ist ja jetzt die richtige Zeit dafür, um einfach mal in die Planung zu gehen. Um zu kalkulieren und zu schauen: Was bietet sich an?

Ich bin an einem Tag von unserem Parkplatz auf das Gasthaus zugelaufen. Das Gebäude stand im Sonnenschein, am Haus leuchteten die Blumen und ich dachte: Wir machen „Im weißen Rössl“. Damit war die Sache eigentlich schon klar.

Das Landhotel Müller wird zum weißen Rössl: Bei den Freilichtspielen Gemünden wird das Hotel von Sebastian Krolik zur Bühnenkulisse. Foto: privat

Also war erst die Kulisse geboren, dann das Stück und dann die Freilichstpiele?

Ja, das war tatsächlich so (schmunzelt). Es hat sich einfach so angeboten. Ein Hotel, das zur Bühnenkulisse wird, ist natürlich schon was Besonderes. Dann noch der Ort, der eigentlich so gar nicht dafür prädestiniert ist, hier Freilichtspiele auf die Beine zu stellen. Direkt am Berg.  Aber das macht es eben einfach auch toll, interessant und einzigartig.

Mit „Im weißen Rössl“ habt ihr euch für eine Operette zur Premiere der Freilichtspiele entschieden.

Das stimmt. Wir versuchen aber, eine neue Herangehensweise zu finden und das Wort Operette erst einmal zu ignorieren. Wir wollen nicht denken müssen, dass es nach Operette klingen muss. Sondern wir möchten einfach mal machen und schauen, wo uns das hinführt – vielleicht ja zu einem Rössl 2.0.

Die Pandemie wird uns noch weiter begleiten. Für dich als Veranstalter und Intendant der Freilichtspiele birgt das natürlich auch ein gewisses Risiko. Was lässt dich da so optimistisch drangehen und sagen: Das klappt!

Das ist eine schwierige Frage. Die Planungen haben ja schon vor über einem Jahr begonnen. Damals habe ich versucht einfach zu überlegen: Wie lange kann so was wohl dauern? Genau kann das keiner sagen, aber man kann schon einen groben Rahmen abstecken. Das habe ich gemacht. Ich habe mit wahnsinnig vielen Leuten gesprochen, auch mit vielen ehemaligen Kollegen – wie Stephan Jaekel von Stage Entertainment zum Beispiel – und nachgehört, wie die planen. Dann habe ich mir ein Timing zurechtgelegt und bin dabei geblieben. Im schlimmsten Fall müssten wir absagen. Das wäre dann so. Aber ich finde es falsch, in einer Schockstarre zu bleiben und gar nicht zu planen. Veranstaltungen gewisser Größe brauchen einen gewissen Vorlauf. Wenn es also jetzt nicht ein paar Leute in Deutschland gibt, die anfangen und sich trauen zu planen, dann wird die Lücke noch größer.

Welches Feedback hast du auf die Gründung der Freilichtspiele bekommen?

Ausschließlich positiv, ein extrem gutes Presseecho, viele E-Mails, viele Anrufe, von Menschen, die diese Idee unterstützen. Der Kartenvorverkauf ist auch super angelaufen. Die Leute waren überhaupt nicht zögerlich. Im Gegenteil.

Ich denke, viele sind auch einfach ausgehungert und sehnen sich nach Kunst und Kultur.

Das glaube ich auch. Und alle freuen sich darauf, eine so tolle Cast zu sehen, wie sie hier spielen wird.

Hotelier, Intendant und Darsteller: Bei den Freilichtspielen wird Sebastian Krolik auch wieder auf der Bühne stehen. Foto: privat

 

Neben dir werden Franziska Schuster, Hans-Henning Stober, Sylvia Willecke, Steffi Irmen, Stefan Leonard und Justus Schmeck zu sehen sein. Allesamt Profis, die normalerweise auf den großen Bühnen in Deutschland stehen – und jetzt in Daun in der Eifel zu sehen sein werden. Wie hast du die Cast zusammengestellt?

Es gab kein Casting. Die Cast besteht tatsächlich aus meinem engsten Freundeskreis. Die meisten wussten von Anfang an von der Idee, weil ich sie einfach nach ihrer Meinung gefragt hatte. Da ging es noch gar nicht darum, sie zu besetzen. Sie waren einfach direkt involviert. Nach und nach habe ich dann  gefragt, ob sie nicht eine Rolle spielen wollten. Aber irgendwie war das auch schon klar.

Was sind die nächsten Schritte bis zur Premiere?

Die nicht-kreativen Planungen sind soweit fertig. Jetzt geht es  über in den kreativen Prozess. Wenn Corona es zulässt, gibt es Ende April einen kleinen Vorproben-Zeitraum. Insgesamt haben wir lediglich knapp vier Wochen Probenzeit. Nach den Vorproben treffen wir uns Mitte August wieder und proben dann bis zur Premiere. Wir müssen das Ganze also schon ziemlich stramm durchziehen. Und das kann man auch nur mit Darsteller-Kolleg:innen machen, deren Leistungen man gut kennt. Von denen man weiß, wie sie arbeiten.

Wie ist es für dich, nach zwei Jahren Bühnenpause wieder loszulegen?

Furchtbar (lacht). Ich bin schon jetzt enorm aufgeregt. Freudig aufgeregt natürlich. Ich merke , dass ich da angestaute Energie habe und richtig loslegen werde. Ich habe aber auch festgestellt, dass ich die letzten zwei Jahre nicht wirklich  gesungen habe. Nun habe ich mir einen Raum gemietet, um zu trainieren, damit auch alles wieder so funktioniert, wie es soll.

In deinem Dorf sind diese Freilichtspiele doch sicherlich ein besonderer Höhepunkt im Jahr, oder?

Ja, klar. Hier sind alle aus dem Häuschen. Es wird auch extra eine Durchfahrtsstraße im Ort gesperrt, damit keine Autos durchs Bild fahren. Die Feuerwehr des Ortes wird uns unterstützen, zum Beispiel als Ersthelfer. Viele werden wahrscheinlich ihre Vorgärten herausputzen (lacht). Alle freuen sich drauf. Diese Unterstützung und Begeisterung zu spüren ist toll – und steigert auch meine Freude auf den Start der Freilichtspiele.

Weitere Infos und Tickets gibt es unter http://www.imweissenroessl.de.