Ghost: Große Gefühle und viele Effekte

Er war einer der erfolgreichsten Filme der 90er Jahre: „Ghost – Nachricht von Sam“ mit Demi Moore und Patrick Swayze in den Hauptrollen. 2011 kam die übersinnliche Liebesgeschichte im Londoner Westend zum ersten Mal von der Leinwand auf die Theaterbühne – die berühmte Töpferszene und die Ohrwurm-Ballade „Unchained Melody“ inklusive. Seit Dezember 2017 ist Ghost nun als eine Co-Produktion vom Landestheater Linz und Stage Entertainment im Theater des Westens in Berlin zu sehen.

Zerstörte Zukunftsträume

Die Bühne ist nahezu leer. Nur ein paar verpackte Möbelstücke und Umzugskartons stehen in dem Loft im New Yorker Stadtteil Brooklyn. Hier beziehen Künstlerin Molly und Banker Sam ihre gemeinsame Wohnung – glücklich verliebt und mit vielen Träumen für die gemeinsame Zukunft. Doch diese wird jäh zerstört. Ein Auftragsgangster erschießt Sam. Als Geist kommt dieser dem Täter und damit auch den Machenschaften seines vermeintlichen besten Freundes Carl auf die Spur, vor dem auch Molly nicht sicher ist. Sam setzt alles daran, Molly zu schützen – und findet dabei unerwartet eine Verbündete in dem schräg-schrillen Medium Oda Mae Brown.

Songs mit Ohrwurm-Potenzial

Diesen Mix aus Liebesgeschichte, Krimi und Fantasy erzählt die Bühnenversion mit der Musik von Dave Stewart und Glen Ballard, die abwechslungsreiche Rock-Pop-Songs komponiert und mit „Jetzt und hier“, „Du“ und „Mehr“ mindestens drei Songs mit Ohrwurm-Potenzial vorzuweisen haben. Das Bühnenbild ist eher nüchtern und reduziert, aber sehr wandelbar. Die von Nils Bennet entwickelten Illusionen bieten Effekte, die sich wie selbstverständlich in das Bühnengeschehen einfügen. Wenn Sam durch eine geschlossene Tür geht, Gegenstände wie von Geisterhand bewegt werden und Personen wirklich zu schweben scheinen, macht das wirklich Eindruck.

 Wie von Geisterhand

Höhepunkt ist dabei sicherlich die Szene in der New Yorker Underground (Foto: Stage Entertainment). Der U-Bahn-Geist (in der besuchten Vorstellung André Naujoks) wütet begleitet von grellem Stroboskop-Licht – auch wenn es hier ruhig auch etwas weniger sein könnte – durch die drehbaren, rüttelnden Wagen und lässt auf magische Weise Gegenstände durch die Gegend fliegen. Die Bühne bestimmen Betontraversen und hohe rechteckige Säulenelemente, die mal den Rahmen für das Loft, die Bank oder auch einen Straßenzug bilden. Videoprojektionen machen zudem schnelle Szenenwechsel und Übergänge möglich. Die Größe der Bühne und Weite der Kulissen bergen allerdings die Gefahr, die leisen, gefühlvollen Szenen zwischen Molly und Sam verloren wirken zu lassen.

Glaubhaft gefühlvoll

Dafür, dass das nicht passiert, sorgten in der besuchten Vorstellung Willemjin Verkaik als Molly und Nikolas Heiber als Sam mit ihrem intensiven und natürlichen (Zusammen-)Spiel. Sie harmonieren als glücklich verliebtes Paar und verstehen es im Laufe der rund 2,5-stündigen Show die gesamte Palette der großen Gefühle glaubhaft darzustellen. Wenn Molly und Sam sich im Finale noch einmal sehen, um dann für immer Abschied voneinander zu nehmen, ist das berührend ohne kitschig zu wirken – auch wenn die Szene alle Voraussetzungen dafür erfüllt.

 Gänsehaut-Moment

Willemijn Verkaik ist eine starke, selbstbewusste und gleichzeitig verletzliche Molly. Gesanglich lässt sie keinerlei Wünsche offen und schafft insbesondere mit „Du“ einen Gänsehaut-Moment, der in Erinnerung bleibt, auch wenn die deutschen Texte grundsätzlich nicht an das Original herankommen.

Nikolas Heiber singt mit warmer, kraftvoller Stimme und kommt als geradliniger, unbestechlicher Sam sympathisch und authentisch rüber. Er lässt die Zuschauer glaubhaft an seiner Verzweiflung als isolierter Geist, seiner Enttäuschung über den Betrug von Carl und seinem Schmerz über den Verlust von Molly teilhaben. Auch die leichten, lustigen Momente gelingen Nikolas Heiber überzeugend. Ob als Elvis-Verschnitt mit Akustikgitarre oder als „unsichtbarer“ Gegenpart von Oda Mae Brown.

Auch die Bühnenversion berührt

Das Medium wider Willen bringt Chassity Crisp hinreißend direkt, derb und zugleich warmherzig mit ausdrucksstarkem Spiel und starker Stimme auf die Bühne. Mit Szenen wie „Weg von hier“, in der sie Tagträumen über ein Leben in Reichtum nachhängt, gehören ihr die fröhlichen, unbeschwerten Momente der Geschichtte. Und die versteht es, auch in der Bühnenversion zu fesseln und zu berühren.