Gute Unterhaltung garantiert: Pretty Woman

Es ist einer der erfolgreichsten Liebesfilme der frühen 90er Jahre: Pretty Woman. Die moderne Cinderella-Geschichte über die Liebe zwischen der Prostituierten Vivian Ward und dem millionenschweren Geschäftsmann Edward Lewis brachte Julia Roberts den Durchbruch und zahlreiche – vor allem wohl weibliche Zuschauer – in die Kinos. Jetzt soll die Musicalversion der Geschichte an den Erfolg anknüpfen. Am Broadway war das Stück mit der Musik von Bryan Adams und Jim Vallance für gut ein Jahr zu sehen. 2020 soll es am Londoner WestEnd durchstarten. Seine Europapremiere feierte Pretty Woman aber am Sonntagabend im Hamburger Stage Theater an der Elbe.

Bühnenversion setzt eigene Akzente

Sogar Julia Roberts war da. Zwar nicht persönlich. Aber ihre deutsche Synchronstimme klang noch vor Beginn durch das Theater, sagte charmant-direkt die „Benimmregeln“ für Zuschauer an und platzierte auch noch das ein oder andere Filmzitat. So wurden die „schlüpfrigen kleinen Scheißerchen“ zumindest einmal erwähnt. Denn wer die berühmte Restaurantszene auch in der Bühnenversion erwartete, erlebte stattdessen eine amüsante, mitreißend choreographierte Tanzstunde und -einlage.  Zwar bleibt das Musical sehr nah am Film, greift Szenen, Dialoge und Kostüme originalgetreu auf. Dennoch setzt das Kreativteam ganz eigene Akzente. Es erzählt eine Version der Geschichte, die für das Theater und eben nicht für die Leinwand gemacht ist. Und das funktioniert bestens: Pretty Woman bietet leichte, aber gute Unterhaltung mit viel Charme, etwas 80er-Jahre-Nostalgie und eingängigen Rock-Pop-Songs.

Welcome to Hollywood

Schon mit der ersten Szene ist man mittendrin. Mittendrin in Hollywood. Mittendrin in den späten 80er-Jahren und mittendrin in den gegensätzlichen Welten von Vivan Ward und Edward Lewis. Schnell wechselt die Szenerie zwischen Leuchtreklamen, Tattooshops und heruntergekommenen Appartmentgebäuden mit Feuerleiter am Hollywoodboulevard und dem mondänen Leben am Sunset Boulevard und Rodeo Drive. Das Bühnenbild ist reduziert, arbeitet viel mit Lichteffekten sowie beweglichen Elementen und schafft den Spagat zwischen einfachem Leben und Luxus.  Authentisch sind auch Kostüme und Ausstattung: Vokuhila und Fönwelle, Jeanskluft, Lederjacken, Nietengürtel oder Lackstiefel prägen das Bild in Vivians Leben und stehen im krassen Gegensatz zu maßgeschneiderten Designeranzügen, eleganten Kostümen, Aktentaschen und klobig-klotzigen Mobiltelefonen in Edwards Businessalltag (Fotos: Stage Entertainment).

Gegensätze prallen aufeinander

Mark Seibert gibt den zielstrebigen, skrupellosen Geschäftsmann, in dessen Welt sich alles um Profit dreht, sehr authentisch, überzeugend unnahbar und selbstbewusst. Seine Welt gerät allerdings ins Wanken, als er auf die Prostituierte Vivian trifft, die mit ihrer direkten, natürlichen Art sein bis ins letzte Detail geplantes und getaktetes Leben durcheinander bringt. Dabei ist die Bühnen-Vivian deutlich stärker angelegt, als ihre Filmversion. Edward hingegen ist im Musical nicht nur der souveräne Retter, sondern darf auch Unsicherheiten zeigen.

Patricia Meeden begeistert als Vivian

Patricia Meeden überzeugt als Vivian auf ganzer Linie und verleiht der von Julia Roberts geprägten Rolle ihr eigenes Profil. Mal tough und direkt, mal natürlich und charmant, mal verletzlich und unsicher zeigt sie die vielen Facetten dieser Figur und begeistert zudem mit kraftvoller, warmer Stimme. Mit Bühnenpartner Mark Seibert harmoniert sie darstellerisch und gesanglich optimal – die Chemie stimmt. Und so applaudiert das Publikum begeistert, als das ungleiche Paar im Finale zusammenfindet. Eine Szene, die sich zwar stark an der Filmversion orientiert, aber auf der Bühne mit einem kleinen Augenzwinkern inszeniert wird – und so bei aller Romantik auch für manchen Lacher sorgt.

Überzeugende Cast

Die hat auch Johnny Galeandro als Page Giulio auf seiner Seite. Er avanciert mit Charme, komischen Talent und dem richtigen Timing zum Publikumsliebling. Maricel ist als Kit De Luca der heimliche Star der Inzsenierung und bleibt mit ihrer starken Rockröhre in Erinnerung, Frank Logemann agiert als in Finanznöte geratener Unternehmer der alten Schule, James Morse, sehr souverän. Nigel Casey ist als Edwards Anwalt Philipp Stuckey schön schmierig und herablassend, während Paul Kribbe als Hotelmanager und Happy Man seine Vielseitigkeit zeigen kann.

Rocksongs und Balladen

Die Musik von Bryan Adams und Jim Vallance ist rocklastig und eingängig. Schnelle Nummern wechseln sich mit starken Balladen ab, mal darf zu Tango-Rhythmen getanzt oder auch ein wenig gerappt werden. Wirklich im Ohr bleiben dabei vor allem „Welcome to Hollywood“,  „Alles, nur nicht hier“, „Superstar“ und „Rodeo Drive“. Musikalisch eindrucksvoll ist auch die Opernszene gelöst, bei der sich klassischer Gesang und Gitarrensound stimmig miteinander verbinden. Wie auch im Stück selbst, prallen hier Welten aufeinander – und das ebenfalls mit einem Happy End.