Im Gespräch mit Florian Hinxlage: „Eine Uraufführung zu inszenieren, ist ein Traum!“

Ob als Baby John in der „West Side Story“, als Ché in „Evita“, Corny Collins in „Hairspray“, Jake in „Blues Brothers“ oder Jamie in „Die letzten fünf Jahre“: Florian Hinxlage stand bereits in zahlreichen Musicalproduktionen auf der Bühne und hat verschiedene Konzertformate wie „Flo & Friends“ oder „Musical Stars“ ins Leben gerufen.

Seit 2018 hat der gebürtige Dinklager auch im Sauerland eine künstlerische Heimat gefunden: Als Künstlerischer Leiter und Regisseur an der Freilichtbühne Hallenberg setzt er dort mit Musicalproduktionen neue Akzente. Nach einer erfolgreichen Inszenierung von „My Fair Lady“ im vergangenen Jahr wird in diesem Sommer eine Uraufführung gefeiert: Ab dem 16. Juni zeigt die Amateurbühne die neue Musicalfassung von „Kohlhiesels Töchter“.

Im Interview mit Theaterliebe hat der Regisseur (Fotos: Fotowerk Vechta / Julia Pöstges) erzählt, wie die Wahl auf dieses Stück fiel, was die Zuschauer erwartet und warum die Arbeit als Regisseur für ihn so faszinierend ist.

Seit 2018 bist du Künstlerischer Leiter und Regisseur der Freilichtbühne Hallenberg. Bist du hier im Sauerland „angekommen“?

Angekommen bin ich schon im letzten Jahr, als ich hier „My Fair Lady“ inszeniert habe. Hallenberg, die Menschen und die Bühne sind wie eine große Familie. Und die hat mich aufgenommen, wie einen Ziehsohn. Aber ich bin auch ein kommunikativer Mensch. Ich habe an vielem teilgenommen, was hier passiert – vom Schützenfest bis hin zu Weihnachtsfeierlichkeiten. Das ist gerade in einer solch kleinen Stadt wichtig – und ich mag das. Ich habe hier eine Wohnung, bin jetzt seit Januar wieder mehrere Tage in der Woche hier.

Dass ich wirklich angekommen bin, habe ich jetzt während der Probenphase zu „Kohlhiesels Töchter“ gespürt. Es war wie nach Hause kommen. Und ich bin wahnsinnig stolz, hier meine zweite Inszenierung machen zu dürfen – die auch noch eine Uraufführung, eine Weltpremiere ist. Das ist fantastisch und eine große Ehre.

Wie ist die Wahl für diese Saison auf das Stück „Kohlhiesels Töchter“ gefallen?

Es gibt einen Ausschuss, der entscheidet, welches Stück gezeigt wird. Ich selbst gehöre da nicht zu. Aber ich mache Vorschläge. Das habe ich im letzten Jahr gemacht. Und dieses Jahr auch. Meine Vorschläge wurden nicht genommen (lacht). Aber das ist auch nicht schlimm. Im Gegenteil. „Kohlhiesels Töchter“ ist ein klassischer Stoff. Den Schwank kennt fast jeder. Und er passt zu der Bühne hier, das Stück war in Hallenberg früher schon ein Erfolg. Dass wir jetzt den Zuschlag für die neue Musical-Fassung des Gallissas-Verlags bekommen haben, ist natürlich auch etwas ganz Besonderes. Und selbstverständlich werde ich im Laufe des Entscheidungsprozesses gefragt, ob ich das Stück machen möchte – und ob es unter den gegebenen Voraussetzungen Sinn macht. Und das macht es.

Was magst du besonders an dieser Fassung des Stücks?

Besonders gefangen bin ich von der Musik. Die ist einfach fantastisch intelligent. Es sind alles Ohrwürmer. Es ist von allem und für alle was dabei. Jeder Ton ist durchdacht. Es gibt ein Motiv, das immer wieder auftaucht, das unglaublich toll ist. Alle Songs sind dramaturgisch eklatant wichtig und bringen die Handlung voran.

So eine Uraufführung bringt ja auch einige Besonderheiten mit sich….

Klar. Wir haben uns ja auch ein wenig „blind“ entschieden. Das Stück war zu dem Zeitpunkt noch nicht fertig, die Musik war im Entstehungsprozess. Das hatte aber auch einen großen Vorteil: Nach dem ersten Reading durften wir noch unseren Input geben! Das ist nicht selbstverständlich und für mich als Regisseur natürlich ein Lottogewinn.
Ich bin froh, dass die Wahl auf das Stück gefallen ist. Und ich bin unheimlich stolz, dass ich das inszenieren darf – keine Frage. Eine Uraufführung zu inszenieren ist ein Traum. Ich bin der erste, der überhaupt jemals Hand an dieses Stück legt und freue mich jetzt schon tatsächlich auf die Inszenierungen an anderen Bühnen.

Ist die Inszenierung einer Uraufführung für dich mit mehr Druck oder mit mehr Freiheiten verbunden?

Es ist eine Mischung aus beidem. Natürlich ist der Druck da. „My Fair Lady“ war ein Riesenerfolg. Es wäre schön, wenn ich das mit „Kohliesels Töchter“ wiederholen könnte. Und dann ist es eben eine Uraufführung. Das bringt eine gewisse Erwartungshaltung mit sich – natürlich auch von Seiten des Verlags. Sie haben uns das Stück anvertraut, kommen am 16. Juni zur Premiere und werden dann hoffentlich begeistert rausgehen.

Aber ich bin auch sehr frei. Ich darf wählen, wo ich das Stück spielen lasse, wie die Figuren aussehen, wie die Bühne gestaltet ist. Ich versuche einfach, den Anforderungen zu entsprechen und habe all meine Energie in die Inszenierung gelegt.

Was fasziniert dich an der Regietätigkeit?

Ich kann mich austoben. Das gefällt mir. In meinem Leben als Darsteller gab es ganz oft eine Situation, in der ich gedacht hab: Ich glaub´, ich hätte es anders gemacht. Oder ich würde es mal so oder so ausprobieren. Die Regie gibt mir was ganz Besonderes. Nämlich eine gewisse Freiheit in meinem Kopf. Als Darsteller hat man eine einzige Rolle, die man bedienen musst. Man beschäftigt sich damit – alles gut. Das macht Spaß und das mache ich auch gerne.

Als Regisseur tauche ich in mehrere Rollen ein. Bei Kohliesels Töchter zum Beispiel in 63. Du musst jede einzelne Rolle verstanden haben. Das ist zumindest mein Anspruch. Denn jede einzelne Rolle erzählt eine Geschichte – egal wie klein sie ist. Darum gehe ich gehe jeden Weg auf der Bühne selber ab. Und ich sitze auf jeder Position, auf der jemand aus dem Ensemble sitzen kann oder steht. In jeder Rolle. Ich habe 63 Mal das Stück im Kopf gehabt und aus 63 verschiedenen Rollen versucht, dieses Stück zu erleben. Damit ich auch inszenatorisch weiß, dass es funktioniert. Ich bin ein detailverliebter Typ. Und das macht sich natürlich auch in meiner Art Regie zu führen, bemerkbar.

Du bist weiterhin auch als Darsteller auf der Bühne zu sehen, in letzter Zeit verstärkt in Stadttheater- und Freilichtinszenierungen. Ist das eine bewusste Entscheidung von dir gewesen?

Ich liebe die Abwechslung. Das ist eigentlich der Grund, warum ich lieber mehrere kleine Sachen macht. Lieber. Nicht ausschließlich. Ich bin gerne der Tausendsassa, mal auf der Bühne, mal vor der Bühne, mal hinter der Bühne. Ich spiele eher bei kleineren Stadttheater-Produktionen drei, vier Rollen parallel, als dass ich ein Jahr acht Mal die Woche jeden Tag das Gleiche mache. Das habe ich ja auch schon gemacht. Und sicherlich ist es – auch für den finanziellen Frieden – schön, wenn man ein Jahr „Tarzan“ spielt oder etwas Vergleichbares. Und es gibt einige Rollen in EnSuite-Produktionen, die ich gerne mal machen würde. Wenn ich mir so´n paar Zähne ankleben dürfte zum Beispiel. Oder auf den Barrikaden rumspringen könnte oder ein Geist wär (lacht).

Aber ich bin einfach ein Typ, der die Abwechslung braucht. Das mag ich. Deswegen organisiere ich auch viele Konzerte, da steckt mein Herzblut mit drin. Da kann ich mich verwirklichen. Da kann ich voll aus dem Künstlerischen schöpfen, das ich in mir trage.

Auch für Hallenberg hast mit der 1. Hallenberger Musical Night ein eigenes Konzertformat entwickelt…

Ja, da freue ich mich sehr drauf. Hallenberg hat ja jetzt an Musicalaffinität gewonnen, seitdem ich hier bin. Weihnachten habe ich ein Weihnachtskonzert gemacht, das war innerhalb weniger Minuten ausverkauft. Daraus wurde die Idee geboren, das Ganze größer aufzuziehen – als Gala auf der Freilichtbühne. Und die findet am 3. August statt. Da werde ich mit meine lieben Kollegen Brigitte Oelke, Chris Murray, Patricia Meeden, Lucy Scherer und Andreas Wolfram auf der Bühne stehen. Mit Live Band. Das wird ein riesengeiles Ding. Mit einem Superprogramm.

Da es die 1. Hallenberger Musical Night ist – wird im nächsten Jahr dann die zweite folgen?

Das wäre mein Traum. Und einfach auch ein tolles, großes Geschenk an Hallenberg. Weil es eine besondere Veranstaltung wird, die es hier bisher noch nicht gab.

Welche weiteren Projekte hast du in Zukunft geplant?

Im Herbst öffnet mit den VEC-Hallen eine neue Event Location in meiner Heimat Vechta. Dort bin ich als Künstlerischer Leiter für den Bereich Musical verpflichtet. Am 26. Oktober beginnen wir mit der ersten Musicalveranstaltung, den Musical Stars.

In Zukunft möchte wir Musicalinszenierungen umsetzen und drei Produktionen im Jahr etablieren – von kleinen konzertanten Varianten bis zu Großproduktionen.

Dann gibt es 2020 die Passionsspiele hier in Hallenberg, die nur alle zehn Jahre stattfinden. Hallenberg zählt zu den angesehensten und größten Passionsbühnen, die es in Europa gibt. Und ich habe die große Ehre, das inszenieren zu dürfen. Mit über 150 Darstellern, die sich übrigens alle ab der Dernière von Kohlhiesels Töchter die Haare und Bärte wachsen lassen – also die Männer (lacht).

Da arbeite ich bereits am Konzept und habe einige Ideen dazu – auch besondere, die sich von klassischen Ansätzen abheben. Aber es braucht niemand Angst zu haben, dass bei mir auch die Passion zu einer Musicalfassung wird (schmunzelt). Das wird sie natürlich nicht. Ich freue mich aber sehr darauf, diesen Stoff auf eine ganz neue fantastische, intensive und echte Art kennenzulernen.

Weitere Infos zur Freilichtbühne Hallenberg gibt es hier. Eine Besprechung von „Die letzten fünf Jahre“ mit Florian Hinxlage ist ebenfalls auf Theaterliebe zu lesen.

Foto unten: Theaterliebe