Im Gespräch mit Nyassa Alberta: „Tina war meine bisher größte Herausforderung.“

Mit „Tina“ erobert die Lebensgeschichte von Tina Turner aktuell die deutsche Musicalbühne: Am 30. Mai wurde die 100. Show gefeiert, mit mehr als 200.000 Tickets kann das Stück den erfolgreichsten Vorverkauf im Hamburger Operettenhaus aufweisen. Möglich macht diesen Erfolg vor allem auch das energiegeladene, begeisternde Ensemble. Darunter: Musical-Darstellerin Nyassa Alberta, die bereits in „König der Löwen“, „Sister Act“, „Aida“ und „Bodyguard“ zu sehen war. Seit März steht sie alternierend als Weltstar Tina Turner auf der Bühne. Im Interview mit Theaterliebe sprach die gebürtige Niederländerin über ihren Weg zum Musical, über ihre „Herzensrollen“ und wie es ist, eine Pop-Ikone zu spielen.

Wann war dir klar, dass du Musicaldarstellerin werden möchtest?

Eigentlich wollte ich immer „Business Woman“ werden. Was auch immer das heißt (lacht). Aber ich habe immer getanzt. Seitdem ich drei Jahre alt bin, tanze ich Ballett. Daher wollte ich anfangs auch Balletttänzerin werden. Ich habe mich für eine künstlerische Ausbildung beworben, die man in den Niederlanden als Kind neben der Schule machen kann. Die sagten mir aber, dass ich nicht den richtigen Körperbau fürs Ballett habe. Also habe ich mir gedacht: Ok. Dann nicht. Für mich war Bühnentanz immer Ballett. Bis ich mit etwa 16 Jahren eine Tourproduktion von „Fame“ gesehen habe. Da war mir klar: Das will ich auch. Der Entschluss, dass es Musical werden musste, kam also eigentlich ziemlich spät.

Getanzt hast du also schon immer. Hattest du auch Gesangsunterricht? Woher wusstest du, dass du so singen kannst?

Das wusste ich nicht (schmunzelt). Ich hatte mit 18 Jahren meine erste Gesangsstunde. Und die hatte ich nur, weil ich mich für die Musicalausbildung in Amsterdam bewerben wollte. Und bei der Aufnahmeprüfung mussten wir eben auch singen. Also habe ich mit Gesangsstunden angefangen. Und ich habe mir einen ganz einfachen Song ausgesucht. „Life“ von Des´ree. Der ist ja ganz tief, der geht nirgendwo hin. Den habe ich dann gesungen.

War die Aufnahmeprüfung dann erfolgreich?

Beim ersten Mal nicht. Da wurde ich nicht genommen. Aber ich habe es nochmal versucht. In dem Jahr vor der zweiten Aufnahmeprüfung habe ich Englisch studiert und mich in Amsterdam mit einem Kurs auf die Prüfung vorbereitet. Und dann hat es auch geklappt.
Du hast an der Hogeschool voor de Kunsten in Amsterdam studiert. Was hat dir die Zeit für dein Leben als Musical-Darstellerin mitgegeben?
Über die Ausbildung in Tanz, Gesang und Schauspiel hinaus habe ich gelernt, für mich einzustehen. Mir ist es wichtig, fair behandelt zu werden und ich lasse mir nicht alles gefallen. Auch während der Ausbildung hatte ich oft Auseinandersetzungen mit Lehrern – einfach, weil ich meine Meinung gesagt habe. Und das wurde nicht immer akzeptiert. Aber da bin ich mir treu geblieben. Bis heute. Das habe ich im Laufe meiner Ausbildung – vielleicht nicht gelernt – aber verinnerlicht.

Nach deiner Ausbildung bist du für „König der Löwen“ nach Deutschland gekommen…

Ja. Ich habe 2004 mit dem „König der Löwen“ in Holland angefangen. Das habe ich ein Jahr lang gespielt. Da war ich – mit einer kurzen Unterbrechung – bis August 2006. Und im November 2006 bin ich nach Hamburg gezogen. Erst war ich im Ensemble /Cover Nala und dann habe ich noch die Erstbesetzung und Walk-in Cover für drei weitere Rollen gespielt.

Welche Erinnerungen hast du an diese Zeit?

Ich hatte eigentlich gar nicht vor, nach Deutschland gehen. Als ich hierhin geflogen bin, habe ich noch gedacht: Was mache ich eigentlich? Dann bin ich angekommen: In einem Hotel auf der Reeperbahn, in einem ganz kleinen Zimmer – und wollte eigentlich nur nach Hause. Ich kannte hier nichts und niemanden. Das war schon eine krasse Erfahrung. Ich habe zuerst meine Ensembleposition einstudiert und danach Nala. Mit ihr habe mich so sehr verbunden gefühlt. Das weiß ich noch. Nala verlässt ja auch ihre Familie – das war damals genau die richtige Rolle für mich.

Wie lange bist du dann in Deutschland geblieben?

Ursprünglich war ein halbes Jahr geplant. Ich wollte einfach schauen, wie es ist. Ich hatte mir vorgenommen: Wenn es nichts ist, gehe ich zurück. Und falls doch…bleibe ich. Mittlerweile bin ich 13 Jahre hier (lacht laut). Also war es wohl die richtige Entscheidung.

Du hast zahlreiche Rollen in großen Musicalproduktionen gespielt. Von „Bodyguard“ über „Rocky“ bis hin zu „Sister Act“. Welche Rolle ist dir besonders ans Herz gewachsen?

Irgendwie wachsen die mir alle ans Herz. Aida wollte ich schon immer spielen. Ich liebe die Musik und die Geschichte finde ich supercool. Aber auch Rachel in „Bodyguard“ und Deloris in „Sister Act“ waren tolle Rollen.
Bei mir ist das auch so: Ich versuche immer, etwas von mir selbst in einer Rolle zu finden. Und auch etwas von mir einzubringen. Daher geht es mir wahrscheinlich schnell so, dass ich die jeweilige Rolle auch ins Herz schließe. All die Rollen haben irgendwas, womit ich mich identifizieren kann.

Seit März 2019 stehst du als alternierende Tina im gleichnamigen Musical auf der Bühne. Was bedeutet diese Rolle für dich?

„Tina“ war bisher meine größte Herausforderung. Tina Turner ist eine lebende Legende. Die Geschichte ist eine echte Geschichte, es ist ihr Leben. Das andere waren alles fiktionale Stories und Rollen. Deswegen war das schon ein anderes Level.
Empfindest du eine besondere Verantwortung für Rollen, wenn du – wie jetzt – keinen fiktionalen, sondern einen realen Charakter spielst?
Auf jeden Fall. Sie ist eine solche Ikone. Die Menschen kennen ihre Musik, wissen wie sie klingt, wie sie sich bewegt. Und ich habe mich am Anfang gefragt: Muss ich das 1:1 nachmachen? Dann kann ich direkt aufhören. Ich bin ja nicht sie. Keiner ist das. Ich wusste anfangs ja auch nicht, was das Creative Team wollte. Wieviel Raum ich habe, um etwas von mir selbst einzubringen. Aber jetzt habe ich eine gute Mischung gefunden, glaube ich.

Wie hast du dir die Rolle erarbeitet?

Ich habe aufgehört zu viel nachzudenken. Es ist wichtig, ruhig zu bleiben. Sich so gut wie möglich vorzubereiten – und es dann einfach zu machen. Ich habe mit unseren Choreographen gearbeitet. Sie haben Vorschläge gemacht. Und ich habe selbst ganz viele Videos von Tina Turner geschaut. Das mache ich immer noch ab und an, weil ich denke, vielleicht kann ich noch was Neues finden. Oder was anderes perfektionieren.

Was kannst du für dich aus dem Leben von Tina Turner und der Darstellung für dein eigenes, persönliches Leben mitnehmen?

Sie ist so eine Powerfrau, die nie aufgegeben hat – trotz allem, was passiert ist. Sie hat immer weiter gemacht. Ist immer ihren Träumen hinterhergejagt und hat sie schließlich ja auch erreicht. Und das ist schon eine Lehrstunde fürs Leben, die ich gerne mitnehme.
Natürlich sind meine Lebensumstände nicht so krass gewesen, wie ihre. Aber trotzdem versuche ich immer, weiterzugehen, nicht aufzugeben, was immer auch ist. Und meine Träume zu verfolgen.

Dazu gibt es auch eine kleine Anekdote: Als die Finals der Tina-Auditions anstanden, war ich innerhalb von zehn Tagen quer durch Deutschland gereist. Ich hatte die letzten Shows in Wiesbaden, ich hatte Auditions für „Bat out of Hell“, ich hatte Auditions für „Tina“ und ich bin in Stuttgart noch bei „Bodyguard“ eingesprungen. Und am letzten Tag, einem Montag, hatte ich die Finals. Ich bin am Morgen aus Stuttgart nach Hamburg geflogen. Und ich war sooo müde und wollte eigentlich nur weinen. Auf dem Weg zur Bahn standen mir auch schon die Tränen in den Augen, weil ich einfach fertig war. Und dann habe ich nur gedacht: Nyassa, Tina Turner hatte schlimmere Tage als du! Du gehst jetzt einfach da hin und machst dein Ding. Und: Jetzt sitze ich hier.

Wie gehst du mit den Audition-Situationen um? Gewöhnt man sich jemals daran?

Jein. Eigentlich nicht. Man muss einfach so ruhig wie möglich sein. Und vor allem nicht alles persönlich nehmen. Das habe ich mittlerweile schon gelernt. Ich bin ich. Entweder, man möchte mich für die Rolle haben, oder nicht. Wenn etwas gesucht wird, was ich nicht bin. Ok. Dann bin ich es eben nicht. Oftmals haben die Caster schon ein Bild vor Augen. Und entweder ich passe da hinein – oder nicht.

„Tina“ ist eine sehr energiegeladene, stimmlich und körperlich anstrengende Show. Wie hältst du dich und deine Stimme fit?

Also, bevor ich angefangen habe, bin ich direkt ins Fitnessstudio und habe auf dem Laufband gesungen. Auch jetzt habe ich noch einen Personal Trainer, einmal die Woche gehe ich dahin. Die Show an sich hält aber auch fit – ich habe schon fünf Kilo angenommen (lacht). Und stimmlich: Viel Schlafen. Viel Ausruhen. Gut aufwärmen und tagsüber so wenig wie möglich sprechen. Wenn ich viel spiele, dann rede ich eigentlich so gut wie gar nicht.

Wenn du einen Blick in die Zukunft werfen könntest: Nyassa Alberta in fünf Jahren. Wo siehst du dich da?

Oh Gott. (lacht). Ich würde gerne einmal eine CD machen, vielleicht auch mit eigenen Songs. Und ich würde das, was ich erreicht habe, nutzen, um anderen zu helfen. Entweder in Form von Charity-Formaten. Oder indem ich mit Leuten arbeite, die lernen möchten. Ich fände es schön, meine Talente auch dafür nutzen zu können. Und ich würde gerne die Celie in „Die Farbe Lila“ spielen. Da wäre ich sofort dabei. Oder wenn ich ins West End gehen könnte – da würde ich auch nicht Nein sagen.
Du bist in den Niederlanden geboren und aufgewachsen, lebst seit 13 Jahren in Deutschland, wohnst aktuell in Hamburg, bist aber – je nach Engagement – immer wieder woanders. Wann und wo fühlst du dich zu Hause? Was bedeutet Heimat für dich?
Mmmh. Gute Frage. Ich würde schon sagen Hamburg. Da fühle ich mich wohl. Am Anfang fand ich es – wie gesagt – furchtbar. Es hat lange gedauert, die Stadt zu mögen. Aber mittlerweile mag ich es hier echt. Ich habe eine schöne Wohnung. Entdecke hier immer neue Seiten. Also: Ich glaube, Hamburg. Hier bin ich jetzt angekommen.