Jesus Christ Superstar in Wuppertal: Aufstieg und Fall eines Rockstars

Traditionell ist es die Geschichte der Geburt Christi, die kurz vor Heilig Abend im Mittelpunkt steht. Die Oper Wuppertal macht da zurzeit eine Ausnahme und bringt die letzten Tage Jesu auf die Bühne: Am 20. Dezember feierte dort Andrew Lloyd Webbers Rockoper Jesus Christ Superstar Premiere. Die Produktion wurde vom Oldenburgischen Staatstheater übernommen, wo sie 40 Mal vor ausverkauften Haus lief. Eine Erfolgsgeschichte, die nun fortgesetzt werden könnte: Das Premierenpublikum  jedenfalls feierte die Inszenierung, die in Wuppertal in der großen Orchesterfassung mit Rockband zu erleben ist, mit langanhaltendem Applaus.

Jesus als gefeierter Superstar

Regisseur Erik Petersen verlegt den biblischen Stoff ins Showbusiness. Seine Inszenierung zeigt den Aufstieg und Fall eines Superstars, die Schattenseiten von Starkult und Massenhysterie. Petersen macht Jesus zu einem gefeierten Rockstar, der mit seiner Band „The Prophets“ auf der Bühne die Massen begeistert – und dahinter von Erschöpfung gezeichnet und den korrupten Machenschaften der Produzenten ausgesetzt ist. Die Mahnungen von Gitarrist Judas, der das Ende des Erfolgs voraussieht, erreichen ihn nicht. Ebensowenig wie der Trost und die Liebe von Backroundsängerin Maria Magdalena. Als Jesus seinen Fans nicht mehr das geben kann, was sie wollen, wird er zum Opfer des Showbusiness und zum Spielball der Massen (Fotos: Bettina Stöß).

Charakterzeichnung im Fokus

Das Rockstarleben auf und hinter der Bühne setzt Sam Madwar (Bühnenbild) mit viel Lichttechnik und einfachen Mitteln funktional, aber gelungen in Szene. Auf einer mit Showlichtern eingerahmten Empore sitzt die Rockband, zwei bewegliche und beleuchtete Stege verbinden die obere Ebene mit dem Bühnenboden, ermöglichen wirkungsvolle Auf- und Abgänge. Ansonsten ist hier weniger mehr. Der Fokus liegt ganz auf den Charakteren und ihrer Entwicklung. Diese zeichnen Oedo Kuipers als Jesus und Rupert Markthaler als Judas stimmlich und darstellerisch glaubwürdig nach. Beide standen schon in der Oldenburger Produktion in den Titelrollen auf der Bühne und wissen die anspruchsvollen Parts zu meistern.

Darstellung geht unter die Haut

Besonders eindrucksvoll ist Markthalers Darstellung von Judas´ Verzweilung und Zerrissenheit, die in „Judas Death“ ihren gesanglichen und szenischen Höhepunkt findet. Kuipers ist mal charismatischer Sonnyboy, mal verzweifelter Einzelgänger im Rockstarrummel. Seine starke Interpretation von „Gethsemane“ wird mit Zwischenapplaus belohnt und die intensive Darstellung der Folter- und Kreuzigungsszene bewegt und geht unter die Haut. Maureen Mac Gillavry ist eine selbstbewusste Maria Magdalena, Simon Strecker überzeugt als Annas und Pontius Pilatus gleichermaßen, während Herodes-Darsteller Mark Bowman-Hester als alternde Showgröße mit Glitzerjackett und Fönwelle etwas blass bleibt.

Standing Ovations

Der neue Blickwinkel auf die biblische Geschichte und die zeitgenössische Interpretation sind erfrischend anders. Die konsequente und wirkungsvolle Verlagerung des Stoffs ins Musikgeschäft erreicht im zweiten Akt allerdings ihre Grenzen. Selbst wenn dieses Business „brutal“ sein mag, Massen und Medien Stars produzieren und auch zerstören können – die Kreuzigungsszene scheint hier doch aus der Zeit gefallen zu sein. Nahe geht sie dennoch. Und auch die Inszenierung bleibt in Erinnerung. Insbesondere dank der grundsätzlich starken Darstellerriege, die von den Zuschauern mit Standing Ovations belohnt wird.