Knockin´ on Heaven´s Door: Temporeicher Musical-Roadtrip

Noch einmal das Meer sehen. Noch einmal sehen, wie die Sonne langsam im Wasser versinkt. Schließlich reden im Himmel alle genau darüber. Also machen sich die beiden todkranken Freunde Rudi Wurlitzer und Martin Brest auf einen ungewöhnlichen Roadtrip, der schon 1997 als Kinofilm erfolgreich war und jetzt auch auf der Bühne überzeugen soll. Als die Reise irgendwo am Nordseestrand endet, erklingt dann auch Knockin´on Heaven´s Door. Mit einer stimmungsvollen Version des Titelsongs ging am Donnerstagabend die Tryout Premiere des neuen Musicals im Pina Bausch Theater der Folkwang Universität zu Ende. Das Bühnenstück begeisterte das Publikum mit mitreißender Musik und einem jungen, spielfreudigen Ensemble.

Noch einmal das Meer sehen…

Unterschiedlicher können sie nicht sein: Den zurückhaltenden, etwas biederen Rudi Wurlitzer und den draufgängerischen, selbstbewussten Martin Brest verbindet erst einmal nur ihre Diagnose: Krebs. Unheilbar. Während der eine in eine melancholische Trauer über sein verpasstes Leben verfällt, rebelliert der andere gegen sein Schicksal – und fasst bei einer gemeinsamen Flasche Tequila auf der „Abnippelstaton“ des Krankenhauses einen Plan: Sie werden ans Meer reisen. Denn das hat Rudi noch nie gesehen. Kurzentschlossen klauen die beiden einen Wagen und mit ihm – ohne es zu ahnen – eine heiße Fracht. Denn die eine Million Euro im Kofferraum bringen nicht nur das Gangster-Duo Henk und Abdul sondern auch die Polizei auf den Plan…

 

Temporeicher Roadtrip

Wie es sich für ein Roadmovie gehört, geht es bei „Knockin´on Heaven´s Door“ rasant zu. Das gilt auch für die Bühnenversion. Mit enormer Geschwindigkeit entwickelt sich die Handlung, schnell folgt Szene auf Szene. Diese Wechsel inszeniert Regisseur Gil Mehmert flüssig und temporeich, mit wenigen, geschickt genutzten Requisiten.

Einfache bewegliche Rahmen bilden mal eine Bankfiliale, mal Umkleidekabinen. Drei Darstellerinnen im blauen Overall halten Scheinwerfer und Rückspiegel – fertig ist das Fluchtauto. Auf einer großen Leinwand erscheinen grafische, ganz in Grau gehaltene Projektionen und geben den Szenen den passenden Hintergrund: Tequilarausch im Krankenhaus. Banküberfall. Anzugkauf im Luxusladen. Dinner beim Sternekoch. Verfolgungsjagd vor laufenden Kameras. Endstation mit Blick aufs Meer. Dazwischen bleiben immer wieder nachdenkliche – wenn auch kurze –  Momente zum „Luftholen“. Dann zum Beispiel, wenn Rudi Wurlitzer (Tomas Stitilis) erkennt, dass er erst am Ende seines Lebens „wirklich am Leben ist“. Oder, wenn Martin Brest (Florian Minnerop) im verzweifelten Zwiegespräch mit dem Tumor,  seinem „Untermieter“ im Kopf, kurz überlegt, seinem Leben so selbstbestimmt wie noch möglich ein Ende zu setzen.

Mitreißendes Ensemble

Die Absolventen und Studierenden der Folkwang Universität bringen das Rock´n´Road-Musical voller Spielfreude auf die Bühne (Fotos: Elsa Wehmeier). Tomas Stitilis gibt den unsicheren Rudi Wurlitzer, der auf Reise nicht nur das Meer, sondern auch zu sich selbst findet, stimmstark und darstellerisch differenziert. Florian Minnerop überzeugt mit einer intensiven Darstellung des rebellierenden, von Wut und Verzweiflung getriebenen Martin. Dabei gelingt es ihm, auch die verletzlichen Seiten seiner Rolle herauszustellen. Esther Conter beweist als Martins Mutter und als Maitre im Sterne Restaurant Wandlungsfähigkeit. Ihre warme Stimme und gesangliche Leistung bleiben in Erinnerung. Charlotte Katzer gibt Gangster-Chefin Frankie im „Kill Bill“-Look kühl und – nach deren sehr abruptem Sinneswandel – auch mit sanften Zwischentönen. Für viele Lacher im Publikum sorgen Pascal Cremer und Alejandro Fernandez mit ihrer pointierten Darstellung des Gangster-Duos Henk und Abdul.

Abseits vom klassischen Musicalsound

Auch die Musik überzeugt. Alex Geringas hat für den Bühnen-Roadtrip rockige, groovige Songs geschrieben, die sich abseits vom klassischen Musicalsound sehr modern präsentieren, im Ohr bleiben und von der sechsköpfigen Band temporeich und druckvoll interpretiert werden. Kaum ist der letzte Ton verklungen, gibt es vom Premierenpublikum begeisterten Applaus für ein Musical, das Potenzial zeigt und hoffentlich auch in Zukunft auf Bühnen in Deutschland zu sehen sein wird.