Tarzan erobert Oberhausen

In Disney´s Dschungel war ich schon einmal. Das ist allerdings Jahre her und war kurz nach der Deutschlandpremiere in Hamburg. Im letzten Jahr ist das Musical „Tarzan“ dann nach einem Abstecher nach Stuttgart ins Ruhrgebiet gezogen –  mit vielen Neuerungen, die im Vorfeld groß angekündigt wurden. Mehr Technik, mehr Show, mehr Flüge, mehr Farben. So soll im Metronom-Theater in Oberhausen jetzt das „spektakulärste und technisch aufwändigste Musical unserer Zeit“ zu sehen sein. In der Hauptrolle: Alexander Klaws, der nach seiner Zeit als durchtrainierter Dschungelheld in Hamburg noch bis Ende April wieder in der Titelrolle zu sehen ist.

Der Dschungel ist bunt

Eins stimmt: Der Dschungel ist anders. Er sieht anders aus, wirkt lebendiger, fremder. Das Bühnenbild von Bob Crowley in Oberhausen ist bunter, plastischer als zuvor und ragt auch ein gutes Stück in den Zuschauerraum hinein. Man hat das Gefühl – selbst wenn man in den hinteren Reihen sitzt – mittendrin zu sein. Das ist man spätestens auch, wenn in der Eingangsszene zum ersten Mal die Affen das Theater erobern. Durch die Gänge, auf der Bühne, von den Seiten und vor allem aus der Luft verwandelt das Ensemble den Zuschauerraum tanzend, turnend und an Lianen schwingend in einen Dschungel. Mehr als 40 Seilwinden und 7000 Meter Bungeeseile machen die Flüge und Sprünge aus bis zu 17 Metern Höhe möglich. Und das Ergebnis ist beeindruckend. Bühne und Technik sind ebenfalls Stars des Stücks. Auch wenn es in der Schlüsselszene „Wer ich wirklich bin“ ruhig etwas weniger Lichtdesign hätte sein können.

Lebendig wird „Tarzan“ aber erst durch die Darsteller, die mit vollem Einsatz dabei sind. Sie singen, schauspielern, tanzen und bewegen sich nicht nur im Affentempo sondern auch affenartig über die Bühne (Foto: Stage Entertainment). Ein wochenlanges, intensives Training musste das Ensemble im Vorfeld absolvieren, um fit für die circa 2,5 stündige Show zu werden. Und wer die Darsteller im Oberhausener Dschungel in Aktion sieht, weiß warum.

Spannung trifft Komik und Gefühl

Im Mittelpunkt der Geschichte steht – natürlich – Tarzan (Alexander Klaws). Mit seinen Eltern nach einem Schiffsunglück im Dschungel gestrandet und durch einen Jaguarangriff zum Waisen gemacht, wird das Menschenbaby von der Gorilla-Dame Kala (in der besuchten Vorstellung: Karolien Torensma) gegen den Willen von Silberrücken Kerchak (in der besuchten Vorstellung: Matthias Otte) adoptiert. Als Tarzan dann später auf Jane (Tessa Sunniva van Tol) trifft, die mit ihrem Forschervater auf Expedition im Dschungel ist, lernt er zum ersten Mal Menschen, sich selbst und auch die Liebe kennen. Die Geschichte bietet alles, was gute Unterhaltung braucht: Spannung und Abenteuer, Komik und Witz – zum Beispiel wenn Jane und Tarzan zum ersten Mal aufeinander treffen – und natürlich jede Menge Gefühl. Dieses Potenzial setzt die Inszenierung souverän und gekonnt um.

Mehr und mehr Mensch

Alexander Klaws singt sich ausdrucksstark durch die Phil Collins-Songs, spielt glaubwürdig den Affenmenschen, der mehr und mehr  Mensch wird und auf der Suche nach seiner Herkunft seine wahre Identität und Familie findet. Tessa Sunniva van Tol ist eine selbstbewusste Jane. Natürlich, voller Spielfreude und mit warmer, klarer Stimme nimmt sie die Zuschauer mit auf ihre Expedition und zeigt dabei ein tolles Timing für die komischen Momente der Inszenierung. Matthias Otte spielt Kerchak nicht nur als „Obermacker“. Immer wieder lässt er auch den Zwiespalt spürbar werden, in dem das Gorilla-Oberhaupt steckt. Als Anführer muss er die Sippe schützen, als Partner möchte er Kala unterstützen. In der Oberhausener Inszenierung bekommt die Rolle der Affenmutter einen höheren Stellenwert, avanciert fast zur dritten Hauptrolle des Stücks. Karolien Torensma füllt diese Rolle im Laufe der besuchten Vorstellung zunehmend aus. Nicht zu vergessen: Salvatore Maione, der als Tarzans cooler, treuer und ehrlicher Freund „Kerchak“ immer wieder – noch mehr – Leben auf die Bühne bringt und wohl die meisten Lacher im Stück auf seiner Seite hat. Großen Applaus gab es auch für den jungen Tarzan (Yunes Abu-Dayeh). Und das zu recht. Es ist schon eine starke Leistung, die auch die jungen Nachwuchsdarsteller zeigen.

Wer einen ersten Eindruck vom Oberhausener „Tarzan“ bekommen möchte, kann sich hier den Trailer anschauen.