„Neuer Starlight Express für eine neue Generation“

Seit drei Jahrzehnten rollt der Starlight Express durch das eigens für ihn erbaute Theater in Bochum. Zum 30. Geburtstag des Musicals wurden die Weichen jetzt noch einmal neu gestellt: Neu arrangierte Songs, neue Charaktere, neue Kostüme sowie ein hochmodernes Sound- und Lichtdesign sollen das Wettrennen der Züge auch die nächsten Jahre durchstarten lassen. Mit einer Jubiläumsgala wurde am Dienstagabend die Premiere der überarbeiteten Inszenierung gefeiert – und vom Publikum begeistert aufgenommen.

Traumhaftes Wettrennen

Die Handlung von Starlight Express ist allerdings noch diesselbe. Denn die märchenhafte Geschichte vom Außenseiter, der lernt, an sich und seinen Traum zu glauben, hat auch 30 Jahre nach der deutschen Erstaufführung noch ihre Berechtigung: Ein kleiner Junge spielt vor dem Schlafengehen mit seinen Eisenbahnen. Später, in seinem Traum, werden die Züge lebendig und treten bei der Weltmeisterschaft der Lokomotiven gegeneinander an. Neben Titelverteidiger Greaseball und dem ultramodernen Herausforderer Elektra hofft auch die junge, aber technisch veraltete Dampflok Rusty auf ihre Chance und kommt – trotz Selbstzweifeln und Intrigen – als Erster ins Ziel.

Züge und Waggons mit Frauenpower

Kaum erklingen die ersten Töne, kaum gestalten die ersten Projektionen das Bühnenbild mit, kaum drehen die ersten Züge ihre Runden auf den Gleisen wird sofort klar: Starlight Express zeigt sich von einer ganz frischen und modernen Seite. Der Sound ist satt, das Lichtdesign beeindruckend und die Projektionen lassen wirkungsvolle Ortswechsel zu. Hinzu kommen neue Charaktere, die vor allem jede Menge „Frauenpower“ in die Show bringen. So geht neben der Dampflok Rusty (Blake Patrick Anderson), Diesel Greaseball (Ben Carruthers) und der E-Lok Elektra (Sjoerd van der Meer) mit dem „Unterwasserzug“ Coco zum ersten Mal auch ein weiblicher Zug an den Start. Schließlich wollte Komponist Andrew Lloyd Webber auch die Rolle der Frau stärken, als er das Stück mit seinem Kreativteam überarbeitete.

Ab sofort rollt die alte Dampflok daher nicht mehr als „Papa“ sondern als „Mama“ durch das Stück: Reva Rice – 1987 die erste Pearl-Darstellerin am Broadway in New York – schreibt jetzt als erste Mama in Bochum Starlight Express-Geschichte. Bei der Premiere ist sie trotz Verletzung am Start und überzeugt mit großartiger Stimme und einer charismatischen Darstellung. Reva Rice absolviert ihre Auftritte mit sympathischer Selbstverständlichkeit: Ihre Mama wirkt so, als hätte sie schon immer dazugehört.

Weniger Klischee, mehr Format

Zusätzliche Frauenpower bringt auch der neue Song „Ich bin ich“ in die Inszenierung. Mit rockig-poppigen Sound stellen die Waggons um Speisewagen Dinah (Rose Ouellette) klar, dass sie mehr sind, als einfache „Anhängsel“: „Es ist nicht mehr wie in alten Tagen, die Wagen haben jetzt was zu sagen“, heißt es da in einer Zeile. Und diese Entwicklung tut dem Stück und auch den Charakteren gut. Sie kommen weniger klischee- und schablonenhaft rüber. Davon profitiert auch die Figur des Erste-Klasse-Wagens. Durch einige Änderungen in der Geschichte und den Texten bekommt Pearl (Georgina Hagen) mehr Format – und die Liebesgeschichte mit Rusty gleichzeitig einen kleinen roten Faden (Fotos: © Starlight Express).

Mut zur Veränderung

Für einen Gänsehaut-Moment in der rasanten, lauten Show sorgt die Schlüsselszene, in der Rusty den legendären Sternenzug Starlight Express sieht und erkennt, dass der Glaube an sich selbst Berge versetzen und Rennen gewinnen kann. Hier zeigt die moderne Technik, was sie kann und kreiert – unter anderem mit 28 leuchtenden Drohnen – eine Szenerie, die mit lautem Applaus bedacht wurde.

Auch nach dem großen Finale der Galapremiere, bei der Tony Award Gewinner Andrew Lloyd Webber, Arlene Phillips (Regie und Choreographie) und John Napier (Bühnenbild und Kostüme) anwesend waren, feierten die Zuschauer mit Standing Ovations eine Inszenierung, die Mut zur Veränderung zeigt ohne den Blick für Altbewährtes zu verlieren. Andrew Lloyd Webber war sichtlich zufrieden mit dem Ergebnis und bedankte sich auf der Bühne bei allen Beteiligten für eine „fantastische Arbeit“, die den „neuen Starlight Express für eine neue Generation“ möglich gemacht hat.