„Ich habe zu meinen eigenen Songs gefunden.“

Musical-Darstellerin Nienke Latten hat im Lockdown das Songwriting für sich entdeckt

Als Nienke Latten vor 2,5 Jahren die Erstbesetzung der Prinzessin Jasmin im Musical Aladdin wurde, ging für die junge Niederländerin ein Traum in Erfüllung. Seitdem stand sie acht Mal pro Woche in dieser Rolle auf der Bühne – bis im März 2020 auch im Stage Apollo Theater der Vorhang zum vorerst letzten Mal fiel und der erste Lockdown begann. Für Nienke Latten war diese Zwangspause die bisher größte Herausforderung ihres Berufslebens – auch, weil sie einen persönlichen Findungsprozess in Gang setzte. „Die Arbeit auf der Bühne macht einen Großteil von mir aus. Als dieser Teil wegfiel, musste ich mich fragen: Wer bin ich, wenn ich keine Musicals spielen kann?“, erzählt die 25-Jährige im Theaterliebe-Gespräch. Nienke Latten hat ihre Antwort gefunden – und ihre ersten eigenen Songs veröffentlicht.

Nienke Latten Foto: Guillermo Martinez Ayala

Raus aus dem „Wartemodus“ 

„Ich hätte nie gedacht, dass ich das kann – eigene Songs schreiben“, sagt Nienke Latten und in ihrer Stimme klingt noch immer ein leichtes Erstaunen mit. Ein Erstaunen und eine große Freude darüber, dass sie in den vergangenen Monaten zwölf eigene Songs komponiert hat. Etwas, das sie nie geplant hatte: „Für mich war klar: Ich bin Musicaldarstellerin, als Songwriterin habe ich mich früher nicht gesehen“, so die junge Künstlerin, die ihr Musical-Studium in Tilburg mit Auszeichnung abschloss. Doch dann kam dieser Abend am Piano. „Als deutlich wurde, dass der erste Lockdown länger als vier Wochen dauern würde, bin ich aus dem Wartemodus raus“, so Nienke Latten, die sich am ersten spielfreien Tag zunächst mit Farbe und Leinwänden eingedeckt hatte: „Ich wusste einfach nicht, was ich mit der freien Zeit anfangen sollte.“ Sie lacht laut und herzlich: „Dabei ist Malen gar kein Hobby von mir.“ 

Zeit für die eigene Musik

Also begann sie, die Zeit für Musik zu nutzen. Für ihre Musik. „Ich habe mir einfach gesagt: Ich versuche es mal“, blickt Nienke Latten zurück. Aus dem Versuch wurde ihr erster eigener Song „From a Distance“ – an nur einem Abend. „Es hat einfach alles gepasst. Das war ein überwältigendes Gefühl“, so die Sängerin. Sie veröffentlichte „From a Distance“ auf verschiedenen Musikportalen und mit einem Videoclip in ihrem Youtube-Channel. Mittlerweile ist auch ihr zweiter Song „Winter is over“ draußen. Weitere sollen folgen. Daran arbeitet Nienke Latten gemeinsam mit Produzent Sebastian Neugebauer und dem “Studio Zoet & Zuur”, das für die Videoclips verantwortlich ist.

„From a Distance“ ist der Titel des ersten Songs von Nienke Latten. Foto: privat

Die Bühne fehlt

Doch so sehr Nienke Latten die Arbeit an ihren eigenen Songs genießt – sie vermisst es, auf der Bühne zu stehen. Aktuell arbeitet sie an einem niederländischen Online-Musicalproduktion von „Mean Girls“, die Aufnahmen für das Cast-Album sind im Kasten, die Show kann Anfang Mai online gesehen werden. „Aber mir fehlt es so sehr, vor einem großen Publikum zu stehen und in so viele fröhliche Gesichter zu sehen. Zu spüren, dass man selbst dazu beigetragen hat, die Menschen für einen Augenblick in eine Welt eingetaucht sind und ihre Sorgen vergessen konnten“, erzählt die Stuttgarter Jasmin, die auch nach unzähligen Momenten auf dem fliegenden Teppich noch jede Show genießt. „Das ist für mich immer ein Glücksmoment. Mir wird das nicht langweilig.“ 

Nienke Latten als Jasmin im Musical Aladdin. Foto: Stage Entertainment

Hoffen auf den Probenbeginn

Umso mehr hofft Nienke Latten, im Sommer wieder mit den Proben beginnen zu können: „Dann ist mein Leben wieder komplett.“ Gleichzeitig sieht sie auch das Gute, dass diese Auszeit ihr gebracht hat. „Everything happens for a reason“ ist nicht ohne Grund das Lebensmotto der Niederländerin: „Ich finde es schön, dass ich während der Corona-Zeit zu meinen eigenen Songs gefunden habe. Das macht mich glücklich.“ Als Darstellerin bringt sie die Kunst anderer auf die Bühne. In ihren Songs lässt ihrer eigenen Kreativität freien Lauf: „Diese Kombination möchte ich niemals mehr aufgeben“, sagt sie – und strahlt.