Zweimal um die Welt: Schlager trifft Satire

„Kein schöner Land“. Das traditionelle Volkslied klingt dünnstimmig durch ein Hamburger Seniorenheim, in dem es alles ist – nur nicht schön. Dieser Tristesse will die 80-jährige Martha Kramer entfliehen. Ihre vielbeschäftigte Tochter kommt sowieso nie zu Besuch. Und ihre Enkelin hat nur Zeit für ihr Insta-Profil. Mit der Urne ihrer verstorbenen Freundin im Arm und einem syrischen Pfleger an ihrer Seite beginnt ihre Flucht – und die satirische Schlagerkomödie „Zweimal um die Welt – oder wohin will Oma“.

Umjubelte Premiere – dann kam Corona

Bereits Anfang des Jahres feierte die erste Eigenproduktion des First Stage Theaters in Hamburg eine gelungene Uraufführung. Die Nachfrage nach Tickets war groß, Zusatztermine wurden angesetzt – und mussten dann aufgrund der Corona-Pandemie entfallen. Bleibt zu hoffen, dass die Produktion noch einmal ihren Weg auf die Bühne des First Stage finden kann. Denn „Zweimal um die Welt“ bietet schräge Unterhaltung, bei der – insbesondere, aber nicht nur – Schlagerfans auf ihre Kosten kommen können.

Ausgefallene Arrangements

Das vielbesungene knallrote Gummiboot ist natürlich dabei, wenn Oma auf Reisen geht. Auch Heinos schwarzbraune Haselnuss kommt zum Einsatz. Nicht zu vergessen der Ohrwurm feierwütiger Spanienurlauber: Eviva Espana. All diese und viele weitere Schlagerhits erklingen im Laufe des Fluchtversuchs von Oma Martha. Die Stärke des Stücks liegt dabei darin, die Melodien nicht einfach in altbekannter Manier aneinanderzureihen, sondern ihnen in ausgefallenen Arrangements (Musikalische Leitung und Arrangements: Markus Voigt) auch einen neuen, modernen Anstrich und eine originelle Wirkung zu verpassen – weit ab vom Gassenhauer- und Schunkelimage. Selbst eingefleischte Schlagerkenner können „ihre“ Lieder so neu entdecken, die sich zudem stimmig in die Handlung einfügen.

Sarkastische Spitzen

Die Geschichte von Oma Martha und ihrer Familie ist zwar schnell erzählt, gibt Autor Hubertus Borck gleichzeitig aber viel Spielraum, den dieser für gelungene Satire, gesellschaftskritische Anspielungen und sarkastische Spitzen nutzt. Diese verwebt der kreative Kopf des früheren Hamburger Comedy-Duos Bo Doerek geschickt mit komischen – manchmal jedoch auch etwas platten – Szenen und schafft einen amüsanten und oftmals nur auf den ersten Blick locker-leichten Theaterabend.

Facettenreiches Spiel

Getragen wird dieser zudem von den darstellerischen und gesanglichen Leistungen der Ensemblemitglieder, denen man die Freude an dieser Produktion anmerkt und die fast ausnahmslos zu überzeugen wissen. Allen voran Diana Böge. Ihre Oma Martha ist resolut und verletzlich, scharfsinnig und traurig und  – mit Katja-Ebstein-Perücke als Tarnung – auch wirklich komisch. Facettenreich zeigt sich auch Alexandra Doerck, die nicht nur als überarbeitete Tochter, sondern zudem in verschiedenen kleineren Rollen auf der Bühne steht. Bleibt zu hoffen, dass sie und das gesamte Ensemble dort auch bald wieder zu sehen sein können: Denn mit der ersten Eigenproduktion ist dem First Stage eine Schlagerkomödie gelungen, die gute Laune verbreitet und der man weitere gefeierte Abende wie bei der Premiere wünschen würde.