Next to Normal in Dortmund

Es ist schon eine Spielzeit her, dass Next to Normal in Dortmund gespielt wurde. Aber auch wenn es da meinen Blog noch nicht gab, geschrieben habe ich einen Artikel dazu schon. Und der hat hier einen Platz verdient. Denn die Inszenierung hat mich absolut begeistert. Darum, für alle, die nochmal reinlesen möchten: Hier mein Text über das Musical „Next to Normal (Fast normal)“ von Tom Kitt und Brian Yorkey am Dortmunder Opernhaus.

Fast normal: Nicht normal, aber außergewöhnlich

Diana Goodman hat eine bipolare Störung. Ihre manischen und depressiven Phasen bestimmen das Leben Ihrer Familie, prägen den Alltag mit Höhen und Tiefen, zwischen Therapien und Pillen: Es ist kein typisches Musicalthema, das Stefan Huber im Dortmunder Opernhaus auf die Bühne bringt. Aber genau das macht „Next to Normal“ aus – und den Theaterbesuch zu einem eindrucksvollen Musicalabend.

Achterbahnfahrt einer Familie

Normal ist das Leben der Goodmans nicht: Die Mutter (Maya Hakvoort) kämpft mit Ihren Wahnvorstellungen, in denen sie ihren vor Jahren verstorbenen Sohn sieht. Vater Dan (Rob Fowler) kämpft und gibt alles, um seiner Frau beizustehen, nimmt seine Trauer ganz zurück. Und auch die Tochter im Teenageralter (Eve Rades) hat zu kämpfen – gegen das Gefühl, unsichtbar zu sein und gegen die Angst, die Krankheit der Mutter geerbt zu haben. Helfen möchte ihr Henry (Dustin Smailes) ihr Mitschüler und Freund. Und Diana Goodman helfen sollen verschiedene Ärzte – Dr. Fine und Dr. Madden (Jörg Neubauer) – mit Gesprächen, Pillen und zuletzt sogar Elektroschocktherapie. Immer mittendrin, in der Achterbahnfahrt der Familie Goodman ist Gabe (Johannes Huth), der Sohn. Er, das im Babyalter verstorbene erste Kind, ist omnipräsent, immer noch da – so wie er es in einem der Songs auch singt.

Ganz nah dran

Das Leben der Familie geht dem Zuschauer nah. Zum einen im Wortsinn, weil das Zuhause der Goodmans trotz der großen Dortmunder Bühne nah an den Zuschauern dran ist: Der Orchestergraben ist abgedeckt und wird auf der gesamten Fläche bespielt. Zum anderen musikalisch, weil die Songs einen mitnehmen durch das Auf und Ab. Mal rockig und laut, mal eindringlich und zurückgenommen, aber immer ausdrucksstark – auch oder gerade weil gängige, gefällige Ohrwürmer nicht unbedingt darunter sind.

Beeindruckende Cast

Doch es ist die Cast, die besonders beeindruckt und berührt. Jeder einzelne überzeugt und hat seine großen Augenblicke in diesem kleinen und in Deutschland noch nicht allzu bekannten Stück. Allen voran Maya Hakvoort als Diana Goodmann. Sie durchlebt die Stimmungsschwankungen ihrer Rolle. Sie sprüht über vor Energie, sie versinkt in Verzweiflung, sie kämpft, sie gibt auf, sie beginnt von vorn. Eindrucksvoll zum Beispiel die Szene, in der sie die Entscheidung für eine Elektroschocktherapie treffen soll. Ein inneres Ringen, das Maya Hakvoort zum Teil nur in kleinsten Gesten, in Körperhaltung und Mimik zum Ausdruck bringt und für die Zuschauer spürbar werden lässt.  Auch Rob Fowlers Darstellung bewegt. Glaubwürdig stellt er den liebevollen und auch pflichtbewussten Ehemann Dan dar, der alles versucht, um den Alltag so normal wie nur irgend möglich aufrecht zu erhalten – und seine Frau doch ziehen lassen muss. Wie er als Dan dann schlussendlich selbst die tiefe Trauer und den Schmerz um seinen Sohn zulässt, das geht – wie so viele Szenen in dem Stück – nahe.

Sekunden, nachdem der letzte Song vorbei ist, steht das Publikum und spendet langen, begeisterten Applaus für eine eindrucksvolle Inszenierung, die es verdient hätte, das auch der letzte Platz des Opernhauses besetzt ist.