Am Ende steht alles in Flammen. Manderley brennt. Der Adelssitz in Cornwall ist zerstört – doch die Erinnerungen bleiben. „Ich hab´geträumt von Manderley“: Das auf dem Roman von Daphne du Maurier basierende Musical von Michael Kunze und Silvester Levay beginnt mit den Erinnerungen der Hauptfigur „Ich“. Sie denkt zurück an ihr Leben auf Manderley, das für die junge Waise neues Glück verheißen sollte und doch zum Albtraum wurde. Das DomplatzOpenAir in Magdeburg zeigt die von Alfred Hitchcock verfilmte Geschichte über Liebe und Lügen, Leidenschaft und Verrat in einer absolut sehenswerten Neuinszenierung – der zweiten unter freiem Himmel. 2017 waren die ersten Open-Air-Aufführungen des Stücks bei den Freilichtspielen Tecklenburg zu sehen.
Wasser als zentrales Element
Regisseur Erik Petersen lässt das Geschehen in einem ausgebrannten, zerstörten Schiffswrack spielen (Bühne: Dirk Hofacker). Wie ein Gerippe ragen die dunklen Steelen vor dem Magdeburger Dom in den Himmel und geben der Geschichte einen bedrohlich wirkenden Rahmen – unabhängig ob sie im Grand Hotel in Monte Carlo, in den herrschaftlichen Zimmern von Manderley oder an der rauen Küste Cornwalls spielt. In der Mitte der Bühne ist ein Wasserbecken, darauf vier quadratische Podeste. Diese Spielflächen werden über das Wasser bewegt, das immer wieder auch direkt ins Spiel integriert wird. Besonders eindrucksvoll gelingt das bei der Strandgut-Szene, wenn Ensemble und Chor mit Lichtern und Fackeln durch das Wasser gehen. Oder wenn „Ich“ auf dem Maskenball verzweifelt im Wasser zusammenbricht, die Podeste zurückfahren und so der Graben zwischen der vertrauensvollen jungen Frau und der von Etikette und Neid geprägten Gesellschaft eindringlich visualisiert wird.
Glaubwürdige Wandlung
Sybille Lambrich zeichnet die Entwicklung von der schüchternen, mit ihrer neuen Rolle als Herrin von Manderley überforderten Waisen zur selbstbewussten, ihren Mann stützenden Frau glaubwürdig nach. Sie singt mit klarem, sicher geführten Sopran und harmoniert darstellerisch und gesanglich sehr gut mit Patrick Stanke. Er gibt Maxim de Winter eher als an sein neues Glück glaubenden und auf manche Etikette pfeifenden Gentleman, denn als distanzierten, die Form wahrenden Witwer. Gleichzeitig lässt er die dunkle Seite seiner Rolle immer wieder durchscheinen. Die Schatten der Vergangenheit sind immer präsent. Das spiegelt sich auch in seiner starken gesanglichen Interpretation wieder, die mal sehr gefühlvoll und warm, mal von Wut und Verzweiflung geprägt ist.
Großartige Darstellerriege
Als Mrs. Danvers ist Kerstin Ibald der Gegenpart von „Ich“. Sie tritt der neuen Hausherrin distanziert und verächtlich entgegen. Ganz in der Vergangenheit verhaftet und besessen von ihrer Verbundenheit, ja Liebe, zu Rebecca macht sie ihre Abneigung mit kerzengerader Haltung und kühler Mimik spürbar. Allein, wenn sie von Rebecca spricht und an sie erinnert wird, schleichen sich weiche Züge in ihr Gesicht. Diese Darstellung und nicht zuletzt die intensive Interpretation des Titelsongs gehen unter die Haut.
Ergänzt wird das beeindruckende Spiel von einer durchweg starken Darstellerriege in den weiteren Rollen: Amani Robinson ist eine herrlich exaltierte, stimmstarke Mrs. van Hopper. Marc Clear gibt den loyalen, zuverlässigen Verwalter Frank Crawley, während Robert David Marx als überheblicher, schmierig-intriganter Jack Favell überzeugt. Jeanett Neumeister steht „Ich“ als herzliche Schwägerin Beatrice zur Seite und bildet mit Lutz Standop, der ihren Ehemann Giles mimt, ein sympathisch-witziges Paar.
Besonderes Live-Erlebnis
Hinter der Bühne spielt die Magdeburgische Philharmonie: 40 Musikerinnen und Musiker bringen die eingängigen und die Story gekonnt tragenden Melodien unter der Leitung von David Levi zum Klingen und lassen die Magdeburger Rebecca-Inszenierung auch musikalisch zu einem ganz besonderen Live-Erlebnis werden. Das endet nach einer rund dreistündigen Aufführungsdauer mit einem wirkungsvoll inszenierten Feuer und dem langen, lauten Applaus eines begeisterten Publikums.