Schräger Spaß: Der kleine Horrorladen in Hamburg

Seit seiner deutschen Erstaufführung 1986 zählt „Der kleine Horrorladen“ in Deutschland zu den am häufigsten gezeigten Stücken ohne festen Spielort. Kein Wunder: Das Musical von Alan Menken (Musik) und Howard Ashman (Buch) verbindet eine schräge Story mit skurrilen Charakteren, mitreißender Musik und viel – schwarzem – Humor. Der zündet auch in der Inszenierung des Musical-Klassikers im First Stage Theater Hamburg, die Anfang Februar nach vielen Verschiebungen Premiere feiern konnte.

Es ist trostlos in der  New Yorker Skid Row. Und trostlos geht es auch in Mushniks Blumenladen zu. Vor dessen Backsteinfassade tummeln sich Obdachlose, Bauarbeiter und Schulschwänzer. Nur keine Kunden. Die bleiben aus. Der Laden steht kurz vor der Pleite. Der glücklose Geschäftsinhaber Mr. Mushnik ist desillusioniert. Nur der schüchterne Gehilfe und Blumen-Nerd Seymour und die naive, gutherzige Verkäuferin Audrey glauben noch an die Rettung. Und die kommt auch: in Form einer exotischen, fleischfressenden Pflanze, die erst zur Sensation des Blumenladens und dann zur Bedrohung wird.

 

Hingucker: Audrey II

Hohe bewegliche Wandelemente im Backstein-Look. Im Hintergrund die gezeichnete Skyline von New York. An den Seiten Müllcontainer und Mailbox: Das Set Design (Felix Wienbürger / Felix Löwy) ist funktional, aber wirkungsvoll. Gleiten die Backsteinwände zur Seite, fällt der Blick auf die breite Ladentheke eines Blumenladens, dessen Blütezeit längst vorbei ist. Zusammengeschoben bilden sie die Rückwand der Häuserreihe und werden auch mal zur Projektionsfläche für Schriftzüge, die Songtexte untermalen. Absoluter Hingucker ist die fleischfressende Pflanze Audrey II (stark gesungen von Darrin Lamont Byrd): Erst eine zarte, exotische Topfpflanze, wuchert sie – dank regelmäßiger Blutrationen – zu einem äußerst lebendigen und eigenwilligen Gewächs (Puppenspieler: Willard Bogaard), das nicht allein die Kunden, sondern auch die Bühne für sich einnimmt.

 

Schräge Story, skurrile Charaktere

So schräg wie die Story sind auch die Charaktere des Stücks. Sie sind überzeichnet. Sie sind extrem. Und bieten mit all ihren Eigenarten doch ausreichend Identifikationsfläche. Joshua Edelsbacher gibt den schüchternen, etwas linkischen Seymour darstellerisch und gesanglich überzeugend. Für ihn ist Audrey II die Erfüllung all seiner Träume. Sein Ticket zum Erfolg – und schließlich doch sein größter Alptraum. In knallroten High Heels und ultraengen Kleidern trippelt Franziska Schuster als wasserstoffblonde Verkäuferin Audrey über die Bühne. Sie spielt sich lispelnd, kicksend und mit Mut zur Lächerlichkeit in die Herzen der Zuschauer – ohne ihre Figur der Lächerlichkeit preiszugeben. Dabei singt sie großartig und versteht es, Audreys Unsicherheiten und Sehnsüchte durch die Fassade des naiven Blondchens durchscheinen zu lassen.

Starke Musik

Florian Soyka ist ein leicht grummeliger Mr. Mushnik, dem der plötzliche Geschäftserfolg zu neuem Elan und Enthusiasmus verhilft – bis er Audrey II auf die Spur – und zu nahe kommt. Schön irre spielt Sascha Stead den sadistischen, lachgassüchtigen Zahnarzt Orin. Und die Soulgirls Chiffon (Olivia Kate Ward), Ronnette (Daniela Tweesmann) und Crystal (Lena-Sophie Pudenz) kommentieren das Geschehen stimmgewaltig  und farbenfroh kostümiert –  mal in Pailettenkleidern mal in Petticoats mit Weltraumszenerie (Kostüme: Claudia Nitzsche).

Eine absolute Stärke des Musicals ist die Musik, die im First Stage von einer fünfköpfigen Band unter der Leitung von Boris Netsvetaev temporeich gespielt wird. Pop-Balladen, Soul und Rock wechseln sich ab und die Melodien von Alan Menken sind so eingängig, das man am Ende des kurzweilig-grotesken Musicals mit Gruselfaktor gar nicht sicher ist, welches Lied man am liebsten im Ohr behalten möchte.

Infos zu Tickets und Terminen gibt es auf www.firststagehamburg.de.