Uraufführung in Füssen: „Zeppelin“ hebt ab

.Zwischenzeitlich sah es so aus, als würde sich der Vorhang für das Musical Zeppelin gar nicht erst heben: Wegen der Corona-Pandemie musste die Premiere zwei Mal verschoben werden. Produzenten sprangen ab –  und Komponist Ralph Siegel schließlich auch mit seinem Privatvermögen ein, um seinen Lebenstraum Wirklichkeit werden zu lassen: ein Musical über den Konstrukteur der Luftfahrtschiffe, Graf Zeppelin, und den letzten dramatischen Flug der Hindenburg. Mitte Oktober fand die Welturaufführung der fast vierstündigen Mammut-Show im Festspielhaus Füssen statt.

Ein Musical, zwei Geschichten

Ein Musical, zwei Geschichten und zahlreiche Handlungsstränge – „Zeppelin“ erzählt viel: vom Leben, Lieben und Werk des Grafen Ferdinand Zeppelin. Von seinen Rückschlägen bei der Entwicklung des Luftfahrtschiffs, die ihn fast sein ganzes Vermögen kostete. Und von der letzten Fahrt des Zeppelins LZ 129 „Hindenburg“, der im Mai 1937 über Lakehurst in Brand geriet und aus 80 Metern Höhe abstürzte – eine Katastrophe, die 35 der 97 Menschen an Bord das Leben kostete und das Ende der deutschen Luftschifffahrt einläutete.

Thematisches Potpourri

Das Publikum erlebt diese Geschichte(n) als episodenhafte Parallelhandlung. Das Stück (Buch: Hans Dieter Schreeb) springt zwischen dem Leben von Graf Zeppelin und dem Flug der Hindenburg hin und her. Da geht es von der Kindheit des Grafen in das Berliner Nachtleben der 30er-Jahre. Mal ist man am Königshof, mal im Amerikanischen Bürgerkrieg und später wieder an Bord des LZ 129, wo das (Liebes-)Leben der Reisegesellschaft für ein thematisches Potpourri sorgt. Es werden Ehen beendet, neue Lieben gefunden, Staubsauger-Werbebotschaften ge- und New York besungen, aber auch die bedrohlichen politischen Entwicklungen kurz vor Beginn des zweiten Weltkriegs thematisiert. Die schnellen Wechsel durch die Zeiten und Schicksale der Reisenden erfordern aufmerksame Zuschauer:innen, fördern einige Längen im Stück und machen es mitunter schwierig, eine Bindung zu den unterschiedlichen Charakteren aufzubauen. Es bleibt keine Zeit, die vielen Lebensgeschichten zu Ende zu erzählen. Sie werden nur angerissen und bleiben an der Oberfläche.

Beeindruckendes Bühnendesign

Dennoch gelingt es Regisseur Benjamin Sahler immer wieder, das Publikum mit wirkungsvoll inszenierten Szenen zu fesseln und zu unterhalten. Zum Beispiel beim Arbeiteraufstand in der Seidenfärberei oder bei großen Ensemblenummern an Bord der Hindenburg, bei denen auch Federfächer, Akrobatikeinlagen und Showtreppe nicht fehlen dürfen. Hier zeigt sich einmal mehr die Vielseitigkeit des großen Alugerüsts in Zeppelinform (Bühnenbild: Barbara Fumian), das Raum für Bar, Cockpit und Quartiere der Hindenburg bietet, vor allem aber zur Bühne für die Hoffnungen und Sehnsüchte der Reisenden wird. Insgesamt ist es das Bühnendesign mit allen technischen Effekten, das besonders beeindruckt: Wenn das frischverheiratete Ehepaar Zeppelin im Heißluftballon vor einem Sternenhimmel und über jede Menge Bodennebel hinwegschwebt, der erste Testflug des Luftschiffs im Bodensee endet oder ein funkgesteuerter, zehn Meter langer Zeppelin über den Zuschauerraum fliegt, sind das eindrucksvolle Szenenbilder, die vom Premierenpublikum mit viel Applaus bedacht werden.

Eingängige Melodien und Reime

35 Songs hat Ralph Siegel für Zeppelin komponiert, die 16 Musiker:innen unter der Leitung von Dr. Konstantinos Kalogeropoulos harmonisch und kraftvoll aus dem Orchestergraben erklingen lassen. Entstanden ist eine Musikwelt, die verschiedene Stile miteinander verbindet und von großen Hymnen über Balladen bis hin zu mitreißendem Swing reicht. Die Melodien sind eingängig, viele Songs wie „KaDeKo“, „Die Hindenburg“ oder „Ich hab´gelebt“ bleiben auch nach der Vorstellung im Ohr. Das wird – vielleicht auch ganz bewusst – durch die Texte noch verstärkt, deren Reime mit Zeilen wie „O Ferdinand, komm´gib´mir deine Hand“ oder „Der Weg führt uns nach Hollywood, denn das tut der Karriere gut“ oftmals doch recht einfach und vorhersehbar sind.

Große Cast mit großen Namen

Auf die Bühne gebracht werden die Siegel-Kompositionen von einer großen, etwa 50-köpfigen Cast mit rund zwanzig Solisten, darunter Uwe Kröger und Kevin Tarte, Holly Hylton und Alexander Kerbst. Josefine Kleverlaan und Mathias Edenborn überzeugen als ungleiches Liebespaar, Tanja Petrasek zeichnet ein starkes Porträt der jüdischen Sängerin Emmy Berg und Hannes Staffler gibt den Hitleranhänger Lutz Grivius  bedrohlich-aggressiv. Schauspieler Sigmar Solbach ist als Dr. Hugo Eckener das Bindeglied zwischen beiden Geschichten. Die Rolle des Ferdinand Graf von Zeppelin teilen sich über die Zeitspanne von der Kindheit bis zum Tod des Luftschiff-Konstrukteurs drei Darsteller: Noah von Rom (Zeppelin als Kind), Tim Wilhelm und Patrick Stanke.

Begeistertes Premierenpublikum

Tim Wilhelm, Sänger der Band „Münchener Freiheit“, spielt den jungen Graf Zeppelin voller Spielfreude und mit jugendlichem Elan. Für die zweite Lebenshälfte der Hauptfigur übernimmt Patrick Stanke den Part. Er nimmt das Publikum mit nuancierter Darstellung und eindringlicher Stimme für sich ein. Seine gefühlvolle  Interpretation von „Ich habe gelebt“ wird von den Zuschauenden bei der Premiere lautstark bejubelt. Ebenso wie das gesamte Stück: Als die Uraufführung nach fast vier Stunden zu Ende geht, feiert das Publikum den Start des musikalischen Zeppelins mit minutenlangen Standing Ovations.

 Der Traum geht weiter

Ralph Siegel nahm den Applaus sichtlich gerührt entgegen: „Es war ein langer Weg ein solches Musical auf die Beine zu stellen“, so der 76-Jährige, der mit dem Musical noch viel vor hat: „Vielleicht geht es über den großen Teich, das war immer ein Traum von mir. Aber jetzt sind wir erst einmal hier und stolz auf Füssen.“ Der Anfang ist jedenfalls gemacht. Bereits vor der Premiere waren rund 20.000 Tickets für kommende Aufführungen verkauft. Ob das Musical Zeppelin aber in dieser Form die Reise nach New York antreten und am Broadway landen wird, bleibt abzuwarten.

Weitere Informationen zu Tickets und Terminen gibt es hier.