Das rockt: Take a Walk on the Wild Side

Vor Beginn der Vorstellung fahren die „Mädels vom Immenhof“ in Dauerschleife Kutsche. Dazu dudelt die Titelmelodie der beliebten Heimatfilme aus den 50er Jahren. Dann bekommt die Idylle Risse, Löcher brennen sich in die Leinwand, die „Revolution“ nimmt ihren Anfang. Mit dem gleichnamigen Song der Beatles beginnt ein ausgefallener Theaterabend: „Take a Walk on the Wild Side“ nimmt die Zuschauer – inspiriert von den Undergroundparties der 1965-66er Jahre in der New Yorker Silver Factory – mit auf eine energiegeladene Musikreise durch Rock, Pop und das Lebensgefühl der damaligen Zeit.

Rocksound trifft Theaterflair

Der Orchestergraben ist einem langen Steg in den Farben der US-Flagge gewichen. Rechts und links am Bühnenrand stehen große Boxen. Die Band spielt mitten auf der Bühne, der Schlagzeuger von einem 2,5 Meter hohen Podest aus. Auch an Kunstnebel, Windmaschine und Feuerfontänen wird nicht gespart. Diese Rockkonzert-Atmosphäre trifft auf klassisches Theaterflair im Parkett und auf den Rängen. Ein Gegensatz, der sich im Verlauf der Show mehr und mehr auflöst. Von Song zu Song wird das Bühnenspektakel zur Mitmachparty, die die Zuschauer mitklatschen, -singen und tanzen lässt.

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Laut. Aber super.

Auch wenn kein Handlungsfaden die Songs verbindet (Inszenierung Thilo Borowczak), vermittelt jeder einzelne eine eigene Botschaft, verstärkt durch Videosequenzen und szenisch untermalt von schauspielerischen und tänzerischen Elementen der Mover Riccardo De Nigris, Tatiana Feldmann, Nathalie Gehrmann, Maria Michala und Emanuele Pazienza. Das ist wirkungsvoll bei „Paint it Black“ von den Rolling Stones und eindrucksvoll bei „Losing my Religion“ von REM. Auch wenn der Rhythmus in die Beine geht – die immer wieder angeschlagenen gesellschaftskritischen Untertöne stimmen nachdenklich. Ganz besonders bei „I don´t like Mondays“ der Boomtown Rats. Ein Song, der von dem Attentat einer Schülerin aus dem Jahr 1979 erzählt und von Vanessa Henning eindringlich gesungen wird, während Videoeinspielungen zu Amokläufen über die Bildschirme flimmern.

Die kraftvoll rockende Band (Musikalische Leitung und Arrangements Andreas Rekauf) und die drei Solisten Vanessa Henning, Patrick Sühl und – in der besuchten Vorstellung – Hannes Staffler sind das große Plus der Bühnenshow. Gemeinsam bringen sie die Rock- und Popsongs stimmgewaltig, gekonnt und mit viel Spaß an der Sache über die Rampe. Mal teuflisch gut, wenn Patrick Sühl mit Rockröhre „Sympathy for the Devil“ singt und eine Trump-Show der besonderen Art „heraufbeschwört“. Mal zurückgenommen und emotional, wenn Vanessa Henning „Nothing compares to you“ anstimmt und das Original verblassen lässt. Und mal spacig-abgefahren, wenn Hannes Staffler zu „Space Oddity“ einschwebt.

„Take a Walk on the Wild Side“ ist mehr als ein Konzert. Mehr als eine Show. Es ist ein rockig-poppige Bühnenspektakel, das die Zuschauer miteinbezieht und auch immer wieder mal aus den Theatersesseln bringt – bis zur laut gefeierten Zugabe zu Queens „Don´t stop me now“, bei der sichtlich alle eine gute Zeit haben und eine Inszenierung feiern, die zeigt, wie vielseitig und immer wieder anders Theater sein kann. „Laut. Aber super“, schreibt das Theater Hagen selbst zur Produktion, die die Spielzeit eröffnet hat – und hat recht.

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Fotos: Klaus Lefebvre