Tanz der Vampire zurück in Oberhausen

Die Vampire sind nach knapp elf Jahren zurück in Oberhausen. Im Metronom Theater feierte das Musical von Michael Kunze und Jim Steinman gestern Abend Premiere. Einen Tag zuvor habe ich mich bei der Medienpremiere zum Mitternachtsball ins Schloss gewagt – das erste Mal seit zehn Jahren wieder. 2009 hatte ich die Geschichte von Vampirforscher Professor Abronsius, seinem Assistenten Alfred, der Wirtstochter Sarah und dem „bissigen“ Graf von Krolock erstmals auf der Musicalbühne gesehen. Und danach nie wieder. Warum? So genau kann ich das heute gar nicht mehr sagen. Mich hat das Stück damals einfach nicht berührt, nicht begeistert und nicht wirklich überzeugt. Aber nach einem ganzen Jahrzehnt Pause war es nun definitiv Zeit für einen zweiten Versuch. Und der war es wirklich wert: Ich hatte einen schaurig-schönen und unterhaltsamen Abend in der Oberhausener Gruft, den ich vor allem der Cast zu verdanken habe.

Tanz der Vampire: ein Publikumsmagnet

Zur Story des Stücks muss eigentlich nicht mehr allzuviel gesagt werden. Das 1997 in Wien uraufgeführte Musical, das auf den gleichnamigen Film von Roman Polanski basiert, zählt wohl zu den Publikumsmagneten und hat eine wirklich leidenschaftliche Fangemeinde. Seit der Uraufführung hat Tanz der Vampire mehr als neun Millionen Zuschauer erreicht, war in Deutschland zwischen 2000 und 2013 ohne Unterbrechung in Stuttgart, Hamburg, Berlin und eben Oberhausen zu sehen und von 2016 bis 2019 auf Tour zu sehen. Geschichte und Film sind vielen wahrscheinlich bestens bekannt.

Die Story

Darum nur kurz: Vampirforscher Professor Abronsius und sein junger Assistent Alfred wollen in Transsylvanien die Existenz von Vampiren beweisen. Dabei stoßen sie nicht nur auf leicht skurille, die Wirkung von Knoblauch schätzende Dorfbewohner und die schöne Wirtstochter Sarah, sondern auch auf den geheimnisvollen Grafen von Krolock – Herr über ein Schloss und eine Heerschaar von Vampiren. Alfred verliebt sich in Sarah. Auch der Graf ist  von ihr angetan und lädt die junge Frau zum Mitternachtsball in sein Schloss. Sarah folgt der Einladung. Und Professor Abronsius und Alfred folgen Sarah, um sie vor dem Biss des Vampirs zu retten.

Alles, was ein Musical braucht

Die Umsetzung der Story für die Bühne (Fotos: Stage Entertainment) bringt vieles mit, was ein gutes Musical ausmacht: Einen eingängigen Musikmix aus kräftigen Rock-Popklängen und melodiösen Balladen, viele Tanzszenen mit eindrucksvollen Choreographien, detailreich-düstere und geschickt  eingesetzte Kulissen, skurille, liebenswerte und geheimnisvolle Charaktere in tollen Kostümen sowie Dialoge mit  Wortwitz. Das alles schafft die besten Voraussetzungen für einen gelungenen Theaterabend, der Spaß macht, manchmal auch Spannung verbreitet, einfach gut unterhält und über die doch etwas dünne Story hinwegtäuscht. In erster Linie war es aber die Oberhausener Cast, die dafür gesorgt hat, dass mir das Stück bei meinem zweiten Besuch deutlich besser gefallen hat. Die Besetzung passt einfach, finde ich. Darüber hinaus hat mich die Spielfreude und Energie auf der Bühne wirklich abgeholt.

Tot zu sein ist komisch

Besonders Spaß gemacht hat es mir, Luc Steegers zuzusehen: Er singt und spielt sich mit scheinbarer Leichtigkeit und unheimlich komisch als schrullig-liebenswerter Professor Abronsius mit unerschrockenem Forscherdrang durch die Vampirwelt. Das Zusammenspiel mit Raphael Groß als Alfred funktioniert tadellos, das ungleiche Gespann bringt viel Witz und Situationskomik in das Stück. Ein weiteres Paar, das auf der Bühne gut harmoniert, bilden Alfred (Raphael Groß) und Sarah (Diana Schnierer). Raphael Groß gibt den schüchternen, etwas unsicheren Alfred, der für seine Liebe auch jede noch so große Furcht überwinden möchte, absolut authentisch und gesanglich sicher. Diana Schnierer gefällt mit ihrer klaren, hellen Stimme. Auch, wenn sie dem Werben von Krolocks nachgibt, bleibt ihre Sympathie und Zuneigung für Alfred spürbar. Als verlotterter, treuloser Wirt Chagall gefiel mit Nicolas Tenerani gut und Anja Backus machte mit toller, rockiger Stimme und ihrer gelungenen Interpretation von „Tot zu sein ist komisch“ auf sich aufmerksam.

Die „Grafenfrage“

Kaum ist eine neue Spielzeit von Tanz der Vampire angekündigt, beginnt unter vielen Fans und Liebhabern des Musicals die „Grafen-Diskussion“. Wer ist der Wunschgraf? Und warum? Oder warum nicht? Mir stellten sich diese Fragen nicht. Ich hatte ja keinen Vergleich. Und ich persönlich finde es gerade spannend zu sehen, wie jeder Darsteller/ jede Darstellerin seine /ihre Rolle auf ganz eigene Weise interpretiert. Außerdem sind zehn Jahre eine lange Zeit…Ich weiß zwar, dass ich vor zehn Jahren Jan Amman als Graf von Krolock gesehen habe. Und ich weiß auch immer noch, dass mir seine Interpretation gefallen hat – mehr aber auch nicht. Also habe ich die Grafenfrage an mir abprallen und alles auf mich zukommen lassen.

Charmant und bedrohlich

Das Ergebnis: Filippo Strocchi hat mir als düsterer Vampirgraf wirklich gefallen. Sein Graf von Krolock ist charmant und bedrohlich zugleich. In jedem seiner Blicke und jeder seiner Bewegungen scheint eine leise, tiefsitzende Wut und Aggression mitzuschwingen. Seine höfliche Freundlichkeit gegenüber Abronsius und Alfred ist aufgesetzt, der Wolf – oder eben Vampir – im Schafspelz scheint immer auf dem Sprung zu sein. Höhepunkt des Abends war für mich seine Interpretation von – Überraschung 😉 – „Die unstillbare Gier“. Hier wurde die innere Zerbrochenheit, Verzweiflung und Resignation des Grafen greifbar.

Was mir allerdings – wie vor zehn Jahren – wieder aufgefallen ist: Ich persönlich kann mich mit dem Ende nicht anfreunden. Bei einer Inszenierung, die fast drei Stunden lang ist und sich Zeit nimmt, um die Geschichte zu erzählen, ist es mir einfach zu abrupt – und lässt zu viele Fragen offen. Aber: Die Schlussnummer reißt mit, rockt und ist toll choreographiert, so dass ich das Theater wie viele begeisterte Besucher gut gelaunt verlassen habe und vielleicht nicht wieder zehn Jahre bis zum nächsten Tanz der Vampire-Besuch verstreichen lassen werde.