Goethe! Auf Liebe und Tod

Dichter und Denker. Stürmer und Dränger. Echter Klassiker und deutsche Künstlerpersönlichkeit –  Johann Wolfgang Goethe ist vieles. Jetzt ist er auch ein Musicalheld. Im 90. Jubiläumsjahr der Folkwang Universität der Künste feierte das Musical „Goethe! Auf Liebe und Tod“ am 5. April seine Try out-Premiere in der Neuen Aula in Essen. Die Produktion, eine Zusammenarbeit von Folkwang, Stage Entertainment und Senator Film/ Warner Bros., basiert auf dem Kinofilm „Goethe!“ über die Jugendjahre des großen deutschen Dichters.

Dichter statt Jurist

Jurist. Das soll Goethe auf Drängen seines Vaters werden. Doch daraus wird erstmal nichts. Der Sohn fällt durch das Staatsexamen. Hat er doch eher kunstvolle Reime als trockene Paragraphen im Kopf. Um Vernunft anzunehmen, wird er vom Vater als Advokat ans Reichskammergericht nach Wetzlar verbannt. Dort lernt Goethe die junge Charlotte Buff kennen – und verliebt sich in sie. Unglücklich. Denn „Lotte“ heiratet einen anderen. Goethes Vorgesetzten Kestner. Goethe leidet und schreibt seinen ersten großen Erfolg: Die Leiden des jungen Werther. Der gescheiterte Jurist wird zum gefeierten Dichter.

Goethe: stark in Szene gesetzt

Goethes Zeit in Wetzlar und die Liebesgeschichte mit Lotte wird im Musical mit Elementen aus dem Briefroman verwoben. Das ist nicht immer historisch korrekt, aber kurzweilig und mitreißend. Auf der Bühne wird Goethes Leben so selbst zur Dichtung und zu einem erfolgversprechenden Musical. Denn das Kreativ-Team, das bereits für „Das Wunder von Bern“ zusammengearbeitet hat, trifft den richtigen Ton (Musik: Martin Lingnau), bietet ausdrucksstarke Texte (Liedtexte Frank Ramond) und schafft eindrucksvolle Bilder (Buch & Regie: Gil Mehmert). Auf der relativ kleinen Bühne der Neuen Aula erzählt Mehmert Goethes Geschichte mit einfachen Mitteln und schafft dennoch starke Szenen, die in Erinnerung bleiben. Zum Beispiel dann, wenn der junge Goethe und sein Freund Wilhelm Jerusalem dem tristen Trott im Reichskammergericht entkommen und auf Pferden in einen freien Tag galoppieren –  und die ganze Bühne auflebt (Ausstattung Eva-Maria van Acker, Maria Wolgast). Schräg wird es hingegen, als Mephisto den Freunden im Rausch als Ozzy Osbourne-Verschnitt erscheint. Wirkungsvoll auch die Szene, wenn zum Duett von Goethe und Lotte der Text aus Werther auf ein riesiges Brautkleid projiziert wird. So schafft „Goethe!“ für den Zuschauer viele besondere Momente und, ja, Erlebnisse, die das Theater dem Film immer noch voraushat – und wahrscheinlich immer haben wird.

Gänsehautmomente garantiert

Auf der Bühne stehen Studenten des dritten und vierten Jahrgangs des Studienfachs Musical der Folkwang Universität gemeinsam mit namhaften Gästen. Sabrina Weckerlin und Philipp Büttner (Foto; © Elsa Wehmeier) spielten und sangen bei der Premiere die Hauptrollen, die alternierend von Lina Gerlitz und Merlin Fargel übernommen werden. Philipp Büttner beeindruckt als junger, selbstbewusster und doch auch an sich und seiner Kunst zweifelnder Goethe, der in den Konventionen der Zeit gefangen scheint und gegen die Autorität des Vaters aufbegehrt. Gesanglich weiß Philipp Büttner, der zurzeit in Hamburg alternierend als Aladin auf der Bühne steht, voll und ganz zu überzeugen. Sabrina Weckerlin (aktuell die „Kala“ in Tarzan) gibt Lotte als selbstbewusste junge Frau. Sie ist es, die an Goethe glaubt und ihm schließlich auch zum Ruhm verhilft. Auch sie leidet. Denn ihre Ehe mit Kestner für sie und ihre Familie nur ein Ausweg aus Armut und Unsicherheit. Mit ihrer warmen Stimme sorgt Sabrina Weckerlin insbesondere in den leisen, ruhigen Liedern für Gänsehautmomente und meistert die Partie darüber hinaus gewohnt stimmgewaltig. Auch die Rollenportraits von Florian Minnerup als Wilhelm Jerusalem sowie Anneke Brunekreft als Margarethe sind eindrucksvoll und bleiben in Erinnerung.

Musik, die nachwirkt

So wie die Musik von Martin Lingnau, die mit Rock- und Popklängen ins Ohr geht und gerade in den langsamen Stücken besonders nachwirkt. Schön auch die musikalische Klammer, die das Musical umrahmt. Fragen sich zu Beginn noch alle in „Goethe?“, wer den ebendieser Goethe ist, der zu spät zur Prüfung erscheint und dann auch noch durchfällt, muss diese Frage am Schluss gar nicht mehr gestellt werden. Goethe ist als Dichter bekannt. Und das Lied erklingt erneut: Goethe! Dieses Mal mit Ausrufezeichen. Und das setzt auch die Inszenierung!

Weitere Aufführungstermine gibt es noch bis zum 20. April. Infos und Karten gibt es hier.