„In den Heights von New York“: Die Musik ist der Star

Mit Hamilton schrieb Lin-Manuel Miranda Buch, Musik und Texte für eines der aktuell angesagtesten und erfolgreichsten Musicals in New York. Doch auch sein Broadway-Debüt In the Heights gewann 2008 vier Tony Awards, das Cast-Album einen Grammy. Und während „Hamilton“ aktuell kurz davor ist ins Londoner West End einzuziehen, wird Mirandas Musical über das Leben lateinamerikanischer Einwanderer im New Yorker Stadtteil „Washington Heights“ im Hagener Stadttheater auf die Bühne gebracht – voller Spielfreude und mit mitreißenden Latino-Rhythmen und HipHop-Sounds.

Von Träumen und Hoffnungen

Washington Heights, das Viertel im Norden New Yorks, ist das Zuhause der Protagonisten, deren Geschichte(n) das Musical erzählt. Hier kommt Bodega Besitzer Usnavi so gerade über die Runden und seiner Traumfrau Vanessa nur beim morgendlichen Kaffee ein wenig näher. Hier betreibt das Ehepaar Rosario ein kleines Taxiunternehmen und tut alles, um Tochter Nina den Weg in eine bessere Zukunft zu ebnen. Hier muss Friseurin Daniela ihren Salon schließen und Ninas Jugendfreund, der Afro-Amerikaner Benny, um die Anerkennung und Akzeptanz seines Chefs und ihres Vaters kämpfen. Und hierhin kehrt auch Nina zurück. Ausgezogen, um mit einem Stipendium an der Elite-Uni in Stanford zu studieren und es zu etwas zu bringen, musste sie das Studium abbrechen. Der Traum scheint zerplatzt, alle Erwartungen enttäuscht.

Die Musik ist der Star

Es sind die Träume von einem besseren Leben, die Suche nach der eigenen Identität, die Sehnsucht nach einer Heimat und die gemeinsamen Wurzeln in der Ferne von denen „In den Heights von New York“ erzählt. Vor der Skyline von New York (Bühne: Ulrike Reinhard), die mal hell oder farbenfroh aufstrahlt, mal düster-grau und bedrohlich wirkt, lachen und feiern, träumen und trauern, kämpfen und hoffen die Bewohner des Viertels.

Die Musik ist dabei der Star der Aufführung, den das engagierte und begeisternde Ensemble gemeinsam mit dem Philharmonischen Orchester Hagen zum Strahlen bringt. Lateinamerikanische Klänge – von Salsa über Merengue bis Bachata – und HipHop-Sounds drängen aus dem überbauten Orchestergraben, durchdringen das Theater, reißen mit und berühren. So ungewohnt der Sound für ein Musical sein mag, er ist frisch und neu und setzt den Heights und seinen Bewohnern ein musikalisch stimmiges Denkmal. Die Choreographien von Sean Stephens sind schwungvoll und die Tanzszenen mit Ensemble und dem Ballett Hagen ein Hingucker. Genügend Raum dafür gibt es im ersten Akt, der Musik und Tanzszenen ins Zentrum stellt. Ruhiger geht es nach der Pause weiter, was der Geschichte und der Zeichnung der Charaktere auch gut tut.

Von der „Avenue Q“ bis „In the Heights“

Mit „In den Heights von New York“ setzt das Theater Hagen die Zusammenarbeit mit der Hochschule Osnabrück fort. Sascha Wienhausen, der bereits bei „Avenue Q“ Regie führte, inszenierte jetzt auch das Miranda-Musical, bei dem neben erfahrenen Sängern in erster Linie junge Absolventen und Studenten auf der Bühne stehen und den Bewohnern eindrucksvoll Gesicht und Stimme geben.

Allen voran Felix Freund, der als Usnavi de la Vega im Zentrum der Geschichten steht. Mit präziser Rhythmik rappt er sich souverän, gut verständlich und authentisch durch die Geschehnisse und die – teilweise etwas hölzernen – deutschen Texte. Kara Kemney lässt als Nina mit warmer, kraftvoller Stimme aufhorchen und gefällt mit ihrem natürlichen, ausdrucksstarken Spiel. Rein optisch scheint David B. Whitley auf den ersten Blick nicht optimal besetzt, wirkt er doch deutlich älter als Nina und nicht wie der gleichaltrige Freund aus Kindertagen, in den diese sich nach ihrer Rückkehr verliebt. Doch stimmlich weiß Whitley zu überzeugen und lässt das Duett mit Kara Kemney über den Dächern des Viertels zu einem der Höhepunkte werden.

Kammersängerin Marilyn Bennett verkörpert die liebenswürdige und verständnisvolle gute Seele des Viertels Abuela Claudia mit viel Wärme. Selbstsicher, aber auch etwas unnahbar gibt Celena Pieper zunächst Usnavis Schwarm Vanessa. Erst als er seine Rückkehr in die Dominikanische Republik plant, gesteht sie sich und ihm ihre Liebe ein. Carolina Walker und Jonathan Agar überzeugen als besorgtes und eigenwilliges Ehepaar Rosario, Annina Hempel gefällt als direkte und doch herzensgute Daniela und Aniello Saggiomo gibt den jungen Sonny mit der richtigen Mischung aus Naivität und jugendlichem Übermut.

Belohnt wird die Inszenierung mit viel Applaus und mit dem auffällig großen Interesse junger Zuschauer, die vielleicht mit dem „HipHop- und Latin-Musicals“ auch das Hagener Theater für sich entdecken.

Weitere Termine, Tickets und einen Trailer zum Stück gibt es hier.

Fotos: Klaus Lefebvre