Als Laura Kuhlen ans Handy geht, hat sie gerade die Teufelsbrücke zwischen Lüneburg und Uelzen hinter sich gelassen – und steht noch am Anfang einer langen Etappe: 33 Kilometer werden sie und Meik Gudermann an diesem Tag zurücklegen – zu Fuß. „Mittlerweile schaffen wir 30 Kilometer aber gut“, erzählt Laura Kuhlen. Schließlich sind die beiden auch schon eine Weile unterwegs. Es ist Tag 16 einer außergewöhnlichen Pilgertour, die die Digital Marketing Managerin und der Social Media Manager vor fast drei Wochen in Köln begonnen haben. Seit dem 2. Juni sammeln die beiden Angestellten der Mehr-BB Entertainment GmbH KulturKilometer. Ihr Ziel ist Berlin. Aber vorallem möchte die Zwei ein Bewusstsein für die existentiell bedrohliche Situation schaffen, in der sich private Theater und Kulturschaffende zurzeit befinden.
Pilgerreise durch die Kulturlandschaft
Die Idee zur Aktion kam in einem Gespräch auf, nachdem auch für Laura Kuhlen und Meik Gudermann die Kurzarbeit begann. Zuvor hatte Laura Kuhlen noch als Digital Marketing Managerin die Premiere von Harry Potter und das verwunschene Kind in Hamburg vorbereitet. Einem Stück, für das Meik Gudermann ebenso wie für Starlight Express als Social Media Manager verantwortlich ist. Die Premiere im März musste abgesagt werden und ist zurzeit für Oktober angesetzt – nur eine von vielen Absagen und Ausfällen in ganz Deutschland, die weitreichende Folgen für Kulturschaffende, Darsteller und Theatermitarbeiter haben. „Wir haben darüber gesprochen, was für ein harter Weg der Theater- und Live-Entertainment-Branche durch die Corona-Krise bevorsteht“, blickt Laura Kuhlen zurück. Sie entscheiden sich, diesen Weg quasi selbst zu gehen. Als Pilgerreise durch die Kulturlandschaft. Zu Fuß. Von Köln nach Berlin. Von Theater zu Theater.
Berlin ist das Ziel
Sechs bis acht Stunden laufen die Kölnerin und der Mülheimer, die schon vor der Aktion „sehr spazieraffin waren“, seitdem jeden Tag. Mit acht Kilogramm Gepäck auf dem Rücken. Rund 750 Kilometer führt die Strecke Laura Kuhlen und Meik Gudermann durch halb Deutschland an zahlreichen privaten Bühnen entlang. Startpunkt war der Musical Dome in Köln, enden wir die Tour morgen Abend am Admiralspalast in Berlin. Dazwischen machten und machen sie an großen und kleinen Bühnen Halt – vom Capitol Theater Düsseldorf über die Freilichtbühne Mülheim oder das Lea Drüppel Theater bis hin zum Mehr!Theater am Großmarkt in Hamburg und dem Neuen Schauspielhaus in Uelzen.
Interviews und Livestreams
Jeder Zwischenstopp ist dabei mehr als nur eine Unterkunft für die Nacht. Vor Ort interviewen sie die Theaterbetreiber, sprechen über die Corona-Situation und deren Herausforderungen und lassen per Livestream immer wieder Künstler, Produzenten und Theatermitarbeiter unterschiedlicher Abteilungen zu Wort kommen. So zeichnen sie ein aktuelles Bild der Sorgen und Nöte, die in der privaten Theaterbranche herrschen, geben Kulturschaffenden ein Forum und zeigen gleichzeitig, wie vielseitig, ideenreich und bunt die Bühnen in Deutschland und ihre Kunst sind. Dabei lernen Laura Kuhlen und Meik Gundermann auch selbst immer wieder Neues kennen. „Neu waren für mich zum Beispiel die Freilichtbühnen“, erzählt die 26-Jährige. Besonders berührt hat beide der Besuch des Lea Drüppel Theaters in Haltern am See. Der Theaterverein ist Lea Drüppel gewidmet, die Opfer der Germanwings-Flugkatastrophe im Jahr 2015 wurde.
Besondere Begegnungen
Die Begegnungen unterwegs und an den Theatern sind es, die KulturKilometer für die beiden Wanderer ganz besonders machen. Da war zum Beispiel die Dame, die in der Zeitung von der Aktion gelesen hatte und Laura Kihlen und Meik Gundermann in einem Vorort schon mit Erdbeeren zur Stärkung erwartete. Oder die Wandergruppe, die in fünf Tagen 100 Kilometer laufen wollte und das KulturKilometer-Team ein Stück begleitete. Nicht zu vergessen die Fahrt mit einer Elektrokutsche, die ihnen angeboten wurde, um eine besonders lange Etappe noch pünktlich zu schaffen. „Die Herzlichkeit, mit der wir begrüßt und aufgenommen wurden, darauf war ich nicht vorbereitet“, sagt Laura Kuhlen. „Wir wurden eingeladen und bekocht, haben viele Gespräche geführt und wieder einmal gemerkt, was für tolle Menschen in unserer Branche arbeiten.“
Einfach mal die Füße hochlegen
Auf die Anstrengungen, die 750 Kilometer Wandern mit sich bringen, waren beide hingegen eingestellt. „Das war uns klar“, so Laura Kuhlen. Vor dem Start haben sie sich vorbereitet, ihre Schuhe eingelaufen, sind viel und lange Spazieren gegangen. Dennoch war die erste Etappe eine Herausforderung: Pralle Sonne, 30 Grad und direkt 40 Kilometer Fußmarsch. Doch auch, wenn es schwierig wurde, die Laune mal im Keller oder die Füße voller Blasen waren: „Bereut haben wir es nie“, sagen beide, die morgen ihre letzte Etappe starten und Richtung Berlin aufbrechen. Um 18.30 Uhr wollen sie in der Hauptstadt ankommen. Und dann? „Dann haben wir unser Ziel erreicht, den Weg geschafft und werden die letzte Nacht im Admiralspalast verbringen“, so Laura Kuhlen, die sich nach drei Wochen Wanderung dann besonders auf eines freut: „Einfach mal die Füße hochlegen – und ein Glas Sekt trinken.“
Fotos: KulturKilometer