Mary Poppins verzaubert Hamburg

Sie ist gelandet. Stilecht mit schwarzem Regenschirm und großer, magischer Tasche: Das außergewöhnliche Kindermädchen Mary Poppins verzaubert im gleichnamigen Disney-Musical nach Stationen in Wien und Stuttgart nun auch Hamburg.

Weltberühmtes Kindermädchen

Die Geschichte ist ein Klassiker –  als Buchreihe der Australierin Pamela L. Travers, vor allem aber als Disney-Film aus dem Jahr 1964. Er machte das Kindermädchen Mary Poppins und mit ihm seine Darstellerin Julie Andrews weltberühmt. Sie schwebte mit Regenschirm und Charme in den Kirschbaumweg, um Familie Banks zu zeigen, was wirklich im Leben zählt: die Familie. Die kommt nämlich bis dahin zu kurz. Vater George Banks lebt nur für seine Arbeit in der Bank, hat kein Verständnis für seine Frau und keine Zeit für seine Kinder. Die verschleißen in der Zwischenzeit ein Kindermädchen nach dem anderen. Solange, bis Mary Poppins einzieht, die Kinder auf magische Weise „erzieht“ und dann weiterzieht, um anderen Familien zu helfen, die sie brauchen.

Mit Schirm, Charme und einem Löffel Zucker

In Hamburg steht Elisabeth Hübert – wie auch schon in Stuttgart – als Mary Poppins auf der Bühne. Und das macht sie mit genau der richtigen Mischung aus liebevoller Strenge und Charme sowie mit schöner, klarer Stimme. Mit kerzengerader Haltung, bestimmt und doch liebevoll in ihrem Auftreten schreitet sie als Kindermädchen durch das Geschehen ohne Unnahbarkeit zu vermitteln. Im Gegenteil: Es wird schnell klar, warum die Kinder Jane und Michael Mary Poppins so sehr mögen. Und dass, obwohl sie sich nun –  „Schokoladenseite – hop, hopp“-  von ihrer besten Seite und „völlig ohne Fehler“ zeigen sollen.

Elisabeth Hübert zur Seite steht David Boyd als Bert. Er verleiht dem Erzähler, Schornsteinfeger und Alleskönner der Geschichte einen sympathischen, mitreißenden Charme und überzeugt auch gesanglich und tänzerisch. Seine Steptanz-Einlage über Kopf gehört – ebenso wie die gesamte, schwung- und anspruchsvoll choreographierte Ensemblenummer zu „Schritt für Schritt“ – zu einem der Höhepunkte der Inszenierung. Livio Cecini gelingt es als George Banks, die Entwicklung vom strengen, karriere- und prestigeorientierten Familienoberhaupt zum liebevollen Vater und Ehemann authentisch und nachvollziehbar auf die Bühne zu bringen. Ganz groß sind aber die kleinen Darsteller der Inszenierung: Fast ständig auf der Bühne und im Zentrum des Geschehens, spielen, singen und tanzen sie als Jane und Michael mit unglaublicher Bühnenpräsenz und unbändiger Spielfreude.

Fantasievolle Szenenbilder

Bühnenbild und Kulissen des Stücks sind größtenteils ebenso zauberhaft wie das Kindermädchen Mary Poppins selbst. Das wie ein überdimensionales Puppenhaus wirkende, quasi aufklappbare Zuhause der Familie Banks, lässt den Zuschauer in das Spiel eintauchen und ermöglicht schnelle Szenenwechsel durch die Etagen bis unters Dach. Das „echte“, ernste Leben in der Bank findet in bedrückender Schwarz-Weiß-Kulisse statt, zu der die bonbonfarbenen, fantasievollen Szenen im Park oder in Mrs.Corry´s schräger Gesprächsstoffhandlung einen wirkungsvollen Kontrast bieten. Zu den Szenen, die im Film teils gar nicht oder anders vorkommen gehört auch die leicht düster-bedrohliche Konfrontation des früheren Kindermädchen Mrs. Andrews mit Mary Poppins. Ganz in Schwarz, streng, verbittert und lieblos ist sie der absolute Gegenentwurf zu Mary Poppins und wird von dieser dann auch eindrucksvoll vor die Tür beziehungsweise in einen Käfig gesetzt.

Zauberhaftes Finale

Doch auch das begeisternde Ensemble, die schwungvollen Choreographien, fantasievollen Szenenbilder und größtenteils bekannten Melodien können Schwächen des Buches nicht völlig überdecken. Gerade der erst Akt hat Längen und es braucht seine Zeit, bis die Geschichte an Fahrt aufnimmt. Dennoch versteht es die Inszenierung, das Publikum in ihren Bann zu ziehen. Und spätestens, wenn Mary Poppins im Finale über die Köpfe der Zuschauer hinwegschwebt, ist so mancher wirklich verzaubert.