Role of a lifetime: Patrick Stanke im Livestream

„Role of a lifetime“: Das ist nicht nur der Titel der zweiten Solo-CD von Patrick Stanke, sondern auch der Name eines Konzertprogramms. Mit ihm lässt der Musicaldarsteller große Rollen seiner bisherigen Karriere Revue passieren. Normalerweise natürlich live. Auf einer Bühne. Vor Publikum. Doch in Zeiten von Corona ist alles anders: Da fand das Konzert am 1. Mai als Stream statt. Natürlich auch live. Und auch auf einer Bühne, im Wuppertaler Kontakthof. Doch die Stuhlreihen davor waren leer: Die rund 370 Zuschauerinnen und Zuschauer waren per Fernseher, Laptop, Tablet oder Smartphone dabei und holten sich das Konzert in die eigenen vier Wände.

Applaus per Chat

Ungewohnt ist es schon. Für beide Seiten. Für Künstler und Publikum. Da sitzt man plötzlich in seinem Wohnzimmer in der ersten Reihe – und ist doch nicht dabei. Applaus und Jubel nach jedem Song bleiben ungehört, allein der Chatverlauf  spiegelt die Reaktionen in Emojis und Kommentaren wieder. „Für uns ist es auch sehr anders“, sagt Patrick Stanke, der an diesem Abend von Florian Albers am E-Piano begleitet wird,  dann auch zu Beginn. „Nur die Kamera direkt vor uns und dann ein leerer Saal…“. Ja. Normal ist das nicht. Dafür dürfen dann an diesem Konzertabend auch mal die Schuhe fehlen: „Ohne Schuhe geht besser“, so Stanke mit einem Schmunzeln und in gepunkteten Socken.

Gänsehaut-Gefühl trotz Stream

Gewohnt spontan und unterhaltsam sind aber die Moderationen des Wuppertalers, gewohnt souverän und mitreißend die Interpretationen seiner bisherigen Parts und Wunschrollen.  Gleich zu Beginn gibt es zehn Minuten Musik nonstop  – mit den großen Melodien aus „Jekyll&Hyde“ wie „Ich muss erfahren“ und „Dies ist die Stunde“. Es folgt ein Mozart-Block. „Ich bin Musik.“ Dann „Wie wird man seinen Schatten los.“ Dazwischen: Stille. Nach jedem Lied – egal wie gut, wie berührend oder eindrucksvoll es gesungen wurde. Das bleibt komisch. Für beide Seiten. Doch dafür kann, wer will, laut und ungeniert mitsingen. Und dafür überschlagen sich die Beifallsbekundungen im Chat. „Gänsehaut“ heißt es da. Oder „wunderschön.“ Denn Patrick Stanke versteht es, die Lieder, ihre Melodien und Geschichten auch über die Distanz wirken zu lassen.

Wunschrollen und Songwünsche

Höhepunkt vor der Pause ist der Abstecher in die Welt von „Les Misérables“ – scheinbar auch für Patrick Stanke. „Ich bekomme direkt Bock, das wieder zu spielen“, sagt er begeistert nach einer eindringlichen Interpretation von „Wer bin ich“. Besonders hörenswert ist die nächste Nummer: Gemeinsam mit Florian Albers singt Patrick Stanke „Bring ihn heim“. In dem Moment ist das Wohnzimmer-Flair vergessen und Konzertatmosphäre spürbar. Nicht verwunderlich, dass die beiden Künstler mit Kommentaren wie „Jetzt stehen wir“ oder „Tränen trocknen“ in die Pause entlassen werden.

Danach geht es mit so mancher Wunschrolle des Musicaldarstellers weiter – von „Being Alive“ aus „Company“ über Martin Guerre bis hin zu „Les temps des cathédrales“. Florian Albers steuert ein Solo aus „Chess“ zu der vielseitigen Setlist bei und begeistert mit seiner einfühlsamen Interpretation von „I´d rather be sailing“ aus „A new Brain“. Überhaupt – Stanke und Albers ergänzen sich nicht nur gesanglich und musikalisch sehr gut. Beide sind auch mit sichtbar viel Spaß dabei. Auch und gerade dann, wenn sie improvisieren. Das zeigen sie, als sie spontan auf einen Songwunsch aus dem Chat eingehen: „Die unstillbare Gier.“ Schnell den Text gegoogelt, kurz über ein neues Konzertformat nachgedacht und das Grafen-Solo aus „Tanz der Vampire“ ins Programm eingebaut. Während Patrick Stanke singt, wird im Chat fleißig applaudiert und kommentiert.

Endlich wieder Kunst

„Es macht so viel Spaß, endlich wieder Kunst zu machen“,  so der Musicaldarsteller kurz vor Konzertschluss. Ebenso schön war es, endlich mal wieder Kunst zu erleben. Auch wenn ein Livestream ein Konzerterlebnis oder einen Theaterbesuch nicht ersetzen kann und sollte. Auch wenn die Unmittelbarkeit, die Interaktion, die Atmosphäre fehlt, von der die Bühnenkunst lebt. Es tat gut. Und war gut  – als Überbrückung, bis die Theater endlich wieder öffnen und mit Leben und Kunst gefüllt werden dürfen.

Auch alle Ticketkäufer, die während des Streams mit technischen Schwierigkeiten zu kämpfen hatten, konnten das Konzert noch einmal ohne Störungen genießen: Ihnen wurde ein exklusiver, 48 Stunden gültiger Link zu der Aufzeichnung zugeschickt.